Acht Medaillen, aber viel zu tun: Die Lehren der Schwimm-EM

Glasgow – Zweimal Gold, zweimal Silber, viermal Bronze: Die deutschen Beckenschwimmer haben bei der EM in Glasgow mehr Medaillen als vier Jahre zuvor bei den Heim-Europameisterschaften in Berlin gewonnen. Die EM vor zwei Jahren in London war im Olympiajahr kein Maßstab.

Chefbundestrainer Henning Lambertz zieht ein positives Fazit. Der deutlich größere Prüfstein wird für sein Team auf dem Weg zu Olympia nach Tokio jedoch die WM im nächsten Jahr.

Nach den Sommerspielen 2020 wird dann abgerechnet. Die dritte Nullnummer beim Ringespektakel in Serie soll vermieden werden. Der Auftritt in Schottland macht Hoffnung.

Die Lehren und Baustellen nach den European Championships:

Die Schwimmer haben Eigenwerbung betrieben

Acht Medaillen, gute Laune: Anders als noch im vergangenen Jahr bei der WM in Budapest, als sportliche Misserfolge und Streitereien die Schlagzeilen bestimmten, sorgten die deutschen Schwimmer für viele positive Nachrichten. Der gute EM-Start mit Bronze und Gold an den ersten beiden Tagen erleichterte vieles. «Man merkt, dass die Stimmung im Team viel besser geworden ist», sagte Rückenschwimmerin Lisa Graf. Lambertz beschrieb den Mannschaftsgeist so: «Jeder geht wirklich mit Freude an die Sache ran, hat Spaß und fühlt sich in diesem Team wohl.»

Das deutsche Schwimmen hat neue Hoffnungsträger

Florian Wellbrock fühlt sich sogar «pudelwohl». Der 20 Jahre alte Langstreckenspezialist wurde in deutscher Rekord- und Weltjahresbestzeit von 14:36,15 Minuten Europameister über 1500 Meter Freistil und gewann Bronze im 800-Meter-Rennen. Am Samstag will das Ausdauer-Talent in der 4 x 1,25 Kilometer Staffel im Freiwasser an den Start gehen – wie auch Freundin Sarah Köhler. Die 24-Jährige ließ in Glasgow mit Silber über 1500 Meter Freistil aufblitzen, was in ihr steckt, dazu gab’s eine Staffelmedaille. Bei der WM im südkoreanischen Gwangju muss sich das Power-Paar gegen die Weltelite beweisen und kann den nächsten Schritt machen. Das wollen auch einige Talente im verjüngten Team.

Vorzeigeschwimmer Philip Heintz will an seiner Mentalität arbeiten

Der zweite Platz und vor allem die Zeit von 1:57,83 Minuten stellten Lagen-Ass Philip Heintz nicht wirklich zufrieden. «Die Silbermedaille ist schön, aber ich hätte gerne die Goldmedaille gehabt», sagte der Heidelberger. «Vom Saisonaufbau haben wir alles richtig gemacht. Kraftwerte, Ausdauerwerte, Schnelligkeitswerte. Das hat alles gepasst», sagte Heintz. «Jetzt geht es nur noch darum, die Baustellen im Kopf zu bearbeiten.» Heintz war als bester Europäer auf der Strecke in diesem Jahr zur EM gefahren. «Ich muss vom Kopf her noch lernen, der Gejagte zu sein und nicht der Jäger», stellte der 27-Jährige fest.

Frühere Erfolgsgaranten müssen sich steigern

Findet Marco Koch nochmal zu alter Stärke zurück? Der Weltmeister von 2015 hat nach Olympia in Rio, wo er Siebter wurde, sein Training verändert und seine Ernährung umgestellt. Bisher zahlt sich das noch nicht aus: Bei der WM 2017 war für den 28 Jahre alte Brustschwimmer auf seiner Spezialstrecke über 200 Meter im Halbfinale Schluss, an der EM-Norm für Schottland scheiterte er. Lambertz hofft, dass Koch nach dem verpassten Saisonhöhepunkt «die richtige Reaktion zeigt und den Weg, den er eingeschlagen hat, konsequent weitergeht». Anders als Koch war Schmetterlingsschwimmerin Franziska Hentke in Glasgow als Medaillenkandidatin dabei. Die Vize-Weltmeisterin konnte jedoch nicht ihre Topform abrufen, holte keine Medaille und hat bis zur WM noch viel Luft nach oben.

Die Kritik an Henning Lambertz hat abgenommen – erstmal

Kraftkonzept, Zentralisierung, härtere Qualifikationsnormen – die vom Chefbundestrainer und dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) angestoßenen Reformen lösten in der vergangenen Saison teils harsche Kritik aus. Nun kann sich Lambertz erstmal bestätigt sehen. Abgerechnet wird jedoch 2020. «Die Bundestrainer haben ihre Aufgaben und wir machen sie dann nach Tokio für die Ergebnisse verantwortlich», hatte DSV-Präsidentin Gabi Dörries bereits im vergangenen Jahr gesagt. Zuvor steht die WM an: Bleiben dort die Erfolge aus, gibt es schon dann Kritik.

Einige Schwimmer müssen lernen, ihre Quali-Form wieder abzurufen

Nicht nur Philip Heintz kam bei der EM nicht an seine Jahresbestleistung heran. Auch andere Athleten schwammen in der Qualifikation schneller als in Schottland. Das muss sich bis Tokio ändern, will man mit den Besten mithalten. «Wir müssen gucken, was waren die Gründe, warum wir an der einen oder anderen Stelle keinen Schritt gemacht haben», sagte Lambertz. Den grundsätzlichen Modus, also einen Zeitraum statt der Qualifikation über die deutschen Meisterschaften als wichtigstem Wettkampf, wollen die Schwimmer beibehalten.


(dpa)

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