Boom oder Flaute? – Standing des Frauenfußballs nach der WM

Berlin – Mit dem Spiel des 1. FFC Frankfurt gegen Turbine Potsdam startet die Frauenfußball-Bundesliga am Freitag (18.30 Uhr/Eurosport) in ihre 30. Spielzeit.

Doch von Euphorie ist bisher keine Spur. Dabei hatte man sich von der Weltmeisterschaft in diesem Sommer in Frankreich – wieder einmal – einen Aufschwung erhofft.

Doch der erhoffte Erfolg der DFB-Auswahl blieb aus, und trotz eines neuen Liga-Sponsors und erhöhter Medienpräsenz werden die Fußballerinnen auch in dieser Saison im Schatten ihrer männlichen Kollegen kicken. Trotz steigender Aufmerksamkeit ist der Frauenfußball in vielen Ländern noch immer eine Randsportart:

FRANKREICH: Durch die WM im Land hat der Frauenfußball eine große Aufmerksamkeit bekommen. Die Stadien waren voll, das Public Viewing wurde angenommen – was zunächst kaum jemand erwartet hatte. Und dennoch sind vor allem die finanziellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern enorm. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich erst jüngst dafür aus, die Bezahlung von Frauen und Männern im Fußball anzugleichen. Dass Frauen im Fußball weniger verdienen, sei kein unabwendbares Schicksal, hatte er kurz vor dem WM-Finale gesagt. Dennoch sind Vereine wie Olympique Lyon, wo die deutsche Regisseurin Dzsenifer Marozsan unter Vertrag steht, oder Paris Saint-Germain finanziell sehr attraktiv für ausländische Spielerinnen.

USA: Die Frauen-Nationalmannschaft hat in den USA einen hohen Stellenwert. Ihre Spielerinnen sind landesweit bekannt. Für die Teams der US-Profiliga National Women’s Soccer League (NWSL) hat sich die Euphorie über den WM-Titel positiv ausgewirkt. Der Zuschauerschnitt der Liga stieg um 70 Prozent gegenüber den Spielen vor der WM. Weltmeister-Kapitänin Megan Rapinoe sorgte durch politische Aussagen und ihr Engagement für die Frauen in der Gesellschaft zudem weltweit für Schlagzeilen. Doch der Frauenfußball bleibt eine Randsportart in den USA. Knapp einen Monat nach dem Titelgewinn ist lediglich die Klage des Teams gegen den eigenen Verband auf gerechte Bezahlung noch ein Thema in den Medien.

SPANIEN: In Spanien erlebt der Frauenfußball zur Zeit einen Boom, der in diesem Jahr alle Erwartungen übertroffen hat. 60 739 Zuschauer besuchten im März das Liga-Spiel zwischen Atlético Madrid und dem FC Barcelona. Nach Angaben der Liga handelte es sich um einen Weltrekord auf Vereinsebene für weibliche Teams. Rund 330 000 verfolgten zudem die TV-Liveübertragung des Topspiels. Begeisterung, die ansteckt: Die Zahl der in Clubs spielenden Mädchen und Frauen kletterte von knapp 11 000 im Jahr 2002 auf mehr als 60 000 im Jahr 2017. Die Erfolge locken auch Sponsoren. «Das alles ist wie eine Lawine, die nicht mehr aufzuhalten ist», behauptet Frauen-Nationaltrainer Jorge Vilda.

NIEDERLANDE: Das Erreichen des WM-Finales hat dem Frauenfußball zweifelsfrei Auftrieb gegeben. Doch noch ist der Frauenfußball in den Niederlanden eine Randsportart. In der nationalen Profiliga, der Eredivisie, spielen nur acht Vereine. Die meisten Spielerinnen bekommen lediglich eine Kostenvergütung, die Sponsoren zeigen bisher nur wenig Interesse an den Teams. Die Vereine hoffen dennoch, dass sich die Begeisterung der Fans während der WM auch auf sie übertragt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen macht einen Anfang: Von der neuen Spielzeit an soll in der Sportschau am Sonntag auch immer die Zusammenfassung eines Frauen-Spiels gezeigt werden.

ENGLAND: Frauenfußball boomt auf der Insel: Auf dem Weg der Lionesses ins Halbfinale der WM wurde der Rekord für Fernsehzuschauer bei einem Frauen-Fußballspiel in Großbritannien gleich vier Mal übertroffen. In Zukunft soll auch der Liga-Fußball der WSL (Women’s Super League) regelmäßig im TV zu sehen sein. Der englische Verband kündigte an, dass von der im September beginnenden Saison an alle Spiele auf einer eigens dafür eingerichteten Streaming-Plattform gezeigt werden. Auch die Sponsoring-Verträge in der WSL haben sich verbessert. Im Vergleich zur übermächtigen Premier League spielt der Frauenfußball aber nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle.

BRASILIEN: In Brasilien war Frauenfußball bis 1979 gesetzlich untersagt. Heute ist die Frauen-Nationalmannschaft das erfolgreichste Team der Region. Trotzdem stehen die Fußballerinnen im Heimatland des «Jogo Bonito» (schönes Spiel) noch immer im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Das zeigt sich auch bei der finanziellen Vergütung. Aus Protest gegen die ungleiche Bezahlung trat die sechsmalige Weltfußballerin Marta bei der WM ohne Ausrüsterlogo an ihren Schuhen an. Sie hatte mehrere Sponsorenangebote abgelehnt, die deutlich niedriger dotiert waren als die Verträge für männliche Topspieler. Die Ankunft der neuen Nationaltrainerin Pia Sundhage aus Schweden war jedoch ein großes Thema im Land.

SCHWEDEN: Gleichstellung spielt in Schweden eine große Rolle – auch auf dem Fußballplatz. Das erste Frauenfußballspiel soll bereits 1918 in Stockholm ausgetragen worden sein. Heute ist die Nationalspielerin Nilla Fischer, die vor ihrer Rückkehr zu Linköpings FC sechs Jahre für den VfL Wolfsburg spielte, für manche Schweden ebenso ein Vorbild wie ihr männlicher Kollege Zlatan Ibrahimovic. Rund 30 Prozent aller aktiven Fußballspieler im Land sind Frauen, was Fußball zu einer der beliebtesten Sportarten der Schwedinnen macht.


(dpa)

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