Buhrufe gegen den Bayern-Patron Hoeneß

München – Uli Hoeneß verließ den Audi Dome verstört und nachdenklich. Die teilweise deftigen Vorwürfe gegen ihn bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern München trafen den Präsidenten «sehr», wie er im Anschluss mit leiser Stimme einräumte.

«Heute Abend gibt es Ansätze, wie ich mir den FC Bayern nicht vorstelle», hatte er zum Ende der Veranstaltung den knapp 1700 Mitgliedern in der Halle der Bayern-Basketballer zugerufen. Es gab Pfiffe und sogar Buhrufe gegen den Vereinspatron anstelle der üblichen Huldigungen – das war ein Jahr vor der nächsten Präsidentenwahl neu und bemerkenswert.

Der Stimmungswandel in der Halle vollzog sich am Freitagabend beim Tagesordnungspunkt Verschiedenes. Mitglieder dürfen ans Mikrofon treten. Einer greift Hoeneß besonders frontal und deftig an – ein Novum beim alljährlichen Vereinskonvent. Johannes Bachmayr rügt den Aufsichtsratsvorsitzenden für die Einmischung ins operative Geschäft, das Nachtreten gegen ehemalige Führungskräfte oder Ex-Spieler wie Juan Bernat. Er geißelt die jüngste, unsouveräne Beschimpfung der Medien, spricht von Vetternwirtschaft und verurteilt die Verbannung von Ehrenspielführer Paul Breitner von der Ehrentribüne. Der Vortrag endet mit dem Satz: «Der FC Bayern ist keine One-Man-Show.»

Hoeneß reagiert pikiert: «Da waren so viele Unwahrheiten drin. Ich lehne eine Diskussion auf diesem Niveau total ab.» Es gibt Buhrufe, Pfiffe. Im Anschluss an die Versammlung sagt Hoeneß: «In meiner Zeit vor dem heutigen Tag hätte ich da das eine oder andere gesagt, was ich vielleicht morgen bedauert hätte.» Er habe aber mehr Sachlichkeit versprochen. Und deswegen sei es eben besser, wenn er «zu diesen Vorkommnissen» erstmal nichts sage, sondern «drüber schlafe».

Der FC Bayern steht vor komplizierten Umbruchzeiten, beim gerade schwächelnden Team und in der Vereinsführung. Bayern-Legende Oliver Kahn (49) könnte nach dem Willen von Hoeneß der neue Karl-Heinz Rummenigge (63) werden. «Ich kann Ihnen versichern, dass der Name Oliver Kahn in unseren Überlegungen eine Rolle spielt», sagte der Präsident in der Versammlung. Im Anschluss wurde Hoeneß konkreter.

Er schloss eine Übergangslösung mit Kahn als Sportvorstand neben dem Vorstandsvorsitzenden Rummenigge aus: «Oliver Kahn kommt dann infrage, wenn Karl-Heinz aufhören sollte. Und bis dahin werden wir uns in Ruhe gedulden und ihn warmhalten.» Kahn müsste sich demnach womöglich bis Ende 2021 gedulden. Denn Hoeneß ist sich sicher, dass Rummenigge seinen Ende 2019 auslaufenden Vertrag noch einmal um zwei Jahre verlängert. «Er wird’s tun», sagte Hoeneß: «Ja!» Rummenigge ist seit 16 Jahren Chef des Vorstandes der FC Bayern München AG.

Noch vor Weihnachten soll laut Hoeneß eine Entscheidung fallen, ob Rummenigge wie von ihm gewünscht weitermacht. «Einem Kaliber wie Karl-Heinz Rummenigge nachzufolgen, ist keine einfache Sache», bemerkte Hoeneß. Rummenigge äußerte sich nicht zu seiner Zukunft.

Der Vorstandsboss sprach aber zum Umbruch der Mannschaft, der mit Niko Kovac als Trainer bewerkstelligt werden soll. Dem 47 Jahre alten Kroaten versicherten die Bosse ihre Unterstützung. Kovac habe «eine Chance verdient». Hoeneß berichtete sogar von «einem Schulterschluss zwischen Mannschaft und Trainer», zu dem es aktuell gekommen sei.

«Wir werden im größeren Stil investieren», kündigte Hoeneß eine große Münchner Transferoffensive im Sommer 2019 an. Die Einkaufskasse des Bundesliga-Krösus ist nach einem Rekordumsatz von 657,4 Millionen Euro und fast 30 Millionen Euro Gewinn in 2017/18 gut gefüllt.

Rummenigge verteidigte das Festhalten an Franck Ribéry und Arjen Robben, der angeblichen Münchner «Rentnerband». Das Gesicht der zukünftigen Bayern-Mannschaft sei zudem schon in der Gegenwart zu erkennen. Rummenigge zählte als Beleg diese Elf auf: Neuer (32), Lewandowski (30), Süle (23), Thiago (27), James (27), Goretzka (23), Gnabry (23), Tolisso (24), Alaba (26), Coman (22), Kimmich (23), Sanches (21) und Winterzugang Alphonso Davies (18) aus Kanada.

«Ich habe keine Angst vor dem, was vor uns liegt», sagte Rummenigge. Auch nicht vor einem Jahr ohne Titelgewinn in der Bundesliga: «Wir können nicht jedes Jahr deutscher Meister werden. Im Gegenteil. Das wäre kontraproduktiv.» Es war ein Abend mit ungewohnten Bayern-Tönen.


(dpa)

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