Der Biathlonsport auf dem Weg in die Zukunft

Östersund – Im Februar 1960 war noch nichts davon zu ahnen, welche Entwicklung Biathlon einmal nehmen wird.

Als damals bei der Olympia-Premiere in Squaw Valley 30 Wagemutige mit Großkaliberwaffen auf Ziele in 200 Meter Entfernung schossen und auf ihren klobigen Skiern durch den Wald rannten, war das Einzel über 20 Kilometer bei den Männern die einzige Disziplin. Es ist die purste Form der Skijagd und knapp 60 Jahre später nicht unumstritten. In der Hoffnung auf mehr Action und Drama für die Fans wird nach immer neuen Wettkampfformaten gesucht – nicht zur Freude der Traditionalisten.

«Der Einzel ist unsere Historie. Das ist immer Teil vom Biathlon gewesen», sagte Ex-Weltmeister Erik Lesser und hält wenig davon, den Wettbewerb zu streichen. Am Mittwoch (16.15 Uhr/ZDF und Eurosport) findet das erste von drei Klassiker-Rennen in diesem Winter bei den Männern statt, am Donnerstag folgen beim Weltcup-Auftakt in Östersund die Frauen. «20 Kilometer bei uns und 15 Kilometer bei den Frauen, das ist körperlich wirklich harte Arbeit, da muss jeder mal durch», sagte der Thüringer Lesser, 2014 Olympia-Zweiter auf dieser Strecke.

Das Problem: Gerade für das Millionen-Publikum vor dem Fernseher ist das Rennen unattraktiv, die TV-Quoten im Durchschnitt am schwächsten. Die Männer sind über 50 Minuten unterwegs, bei 100 Startern wird es nicht nur für den Laien schnell sehr unübersichtlich, da es keine direkten Duelle, sondern nur den Kampf gegen die Uhr gibt. Die Athleten mögen das Rennen jedoch, denn sie sind gefordert wie sonst nie. Jeder Fehler bedeutet sofort eine Strafminute.

«Ich bin ein Verfechter des Einzels. Nicht nur, weil ich mal ein Rennen gewonnen habe», sagte Arnd Peiffer, aktueller Weltmeister im schwersten aller Biathlon-Wettbewerbe. Unterstützung erhält der Harzer von Teamkollegin Denise Herrmann. «Es muss immer schneller, rasanter, spektakulärer sein. Aber ich finde es schon gut, wenn man bei seinen Wurzeln bleibt», sagte die Sächsin dem ARD Hörfunk.

Der Biathlon-Weltverband IBU hat in den vergangenen Jahren sehr viel richtig gemacht. Mit der Einführung von Verfolgung oder Massenstart stieg die Attraktivität für die Zuschauer, nicht ohne Grund ist Biathlon der Wintersport mit der größten TV-Präsenz. Der Wunsch nach Spektakel bleibt aber groß, deswegen wird gerade ein sogenannter Super-Sprint mit Qualifikation und Finalwettkampf getestet, auch ein Massenstart mit 60 statt 30 Teilnehmern ist eine Überlegung. «Ich sehe aktuell keinen Handlungsbedarf, denn im Biathlon läuft es doch gut», sagte Benedikt Doll: «Es ist eine super spannende Sportart und die Zuschauer wissen, wie es funktioniert.»

Bundestrainer Mark Kirchner stellt sich die Frage, «wo man mit Biathlon als schon gutem Produkt eigentlich hin will. Wir haben aktuell sehr viele und sehr gute Formate, da müssen wir uns nicht noch auf die Suche nach neuen Formaten begeben.»

Die nächsten Veränderungen sind aber schon angeschoben. So wird es vor dem kommenden Winter erstmals eine neue Saisoneröffnung geben. Diese findet 2020 am letzten November-Wochenende im finnischen Kontiolahti statt. Dort könnte erstmals der Super-Sprint auf ganz großer Bühne präsentiert werden, zudem soll es dort die Mixedstaffeln gehen.

Bei den jährlichen Weltmeisterschaften gibt es in Sprint, Einzel, Verfolgung, Massenstart und Staffeln nun aber insgesamt schon zwölf Entscheidungen, auch der Weltcup-Kalender ist mit derzeit 68 Rennen an zehn Orten vollgepackt. Noch mehr Wettkämpfe scheinen für Herrmann, Peiffer und Co. nicht machbar. Geht es nach ihnen, soll das Einzel den Wünschen nach Veränderung aber keinesfalls zum Opfer fallen. «Das ist jetzt nicht so mega attraktiv für die Zuschauer, das gebe ich zu, aber es gehört einfach zum Biathlon», sagte Doll.


(dpa)

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