Der König von Liverpool: Klopp fehlt nur noch ein Titel

Madrid – Diesen Titel kann Jürgen Klopp selbst durch einen Erfolg im Champions-League-Finale nicht bekommen. Um irgendwann einmal «Sir Jürgen Klopp» genannt werden zu dürfen, bräuchte der König von Liverpool vorher die britische Staatsbürgerschaft und einen Ritterschlag durch Queen Elizabeth.

Diese Ehre ist aber so ziemlich das einzige, was dem deutschen Fußball-Trainer in England noch nicht angetragen wurde, seit er den FC Liverpool zum zweiten Mal nacheinander in das Endspiel der Königsklasse gegen Tottenham Hotspur geführt hat (Samstag, 21.00 Uhr/Sky und DAZN).

Klopps Konterfei ist im Internet in jedes Denkmal und Plattencover der Beatles hineinmontiert worden. Seine Kabinenansprache vor dem Halbfinal-Triumph gegen den FC Barcelona wurde sogar mit den Reden verglichen, mit denen Winston Churchill die Briten auf die Härten des Zweiten Weltkrieges einstellte. Die Überhöhung des Fußballs kennt keine Grenzen mehr. Die «eines der besten, wenn nicht sogar des besten Trainers der Welt» (Ralf Rangnick) auch nicht.

Als Klopp 2015 zum FC Liverpool kam, stellte er sich dort noch als «The Normal One» vor, als der Normale. Was er seitdem aus einer der bekanntesten, aber zeitweise auch etwas angestaubten Marken des Weltfußballs gemacht hat, ist selbst bei nüchterner Betrachtung nicht ganz normal. Das «Manager Magazin» hat im Mai errechnet, dass der Umsatz der «Reds» seit der Verpflichtung von Klopp um 31 Prozent auf 514 Millionen Euro gestiegen ist. Der gesamte Marktwert des Clubs lag 2015 sogar 98 Prozent unter den aktuell rund 1,9 Milliarden Euro.

«Was er dort bewirkt hat, wie er den Verein präsentiert, ist grandios», sagte der frühere Liverpool-Spieler Dietmar Hamann in einem «Kicker»-Interview. «Wenn Topstars den FC Liverpool zwei oder drei anderen Spitzenclubs vorziehen, ist das allein sein Verdienst.»

Innerhalb von vier Jahren hat Klopp an der Anfield Road ein Team aufgebaut, das er in dieser Woche das beste nannte, mit dem er jemals in einem Finale stand. Clubs wie Manchester United oder den neuen Europa-League-Sieger FC Chelsea hat der LFC sportlich weit überholt.

Auf den ersten Blick fehlt Klopp jetzt nur noch eines mit diesem Team: ein Titel. Das Champions-League-Finale 2018, das Europa-League-Endspiel 2016 und das Ligapokal-Finale 2016 gingen jeweils verloren. In der englischen Meisterschaft wurde der Club mit 97 von 114 möglichen Punkten nur Zweiter hinter Manchester City.

Klopp will diese Titel, keine Frage. Allerdings braucht er ihn längst nicht mehr, um seine Spieler, seinen Club und die Fans von seiner Arbeit zu überzeugen. Würde man diese Spieler und Fans fragen, wen sie lieber auf der Bank sitzen hätten: Den Zyniker José Mourinho, der mit drei verschiedenen Clubs vier Europapokal-Endspiele gewann? Oder den Menschenfänger Klopp, der mit Borussia Dortmund und dem LFC sechs verschiedene Endspiele verlor? Das Ergebnis wäre eindeutig.

In einer ZDF-Dokumentation über Klopp sagte der 51-Jährige selbst zu diesem Thema: «Die Silbermedaille hat in meinem Trophäenschrank eine Relevanz. Dass das von außen nicht so betrachtet wird, könnte mir nicht egaler sein. Ich habe an mich selbst nur den Anspruch, alles zu geben. Das bedeutet aber nicht, dass man auch alles bekommt.»

Mit Klopp und den Titeln ist es ein bisschen so wie mit seinem großen Mentor Wolfgang Frank und dem Job als Bundesliga-Coach. Immer wieder ist dem früheren Trainer von Mainz 05 vorgehalten worden, es nicht bis in die Erste Liga geschafft zu haben. Dabei hat er den Fußball und auch viele seiner Spieler wie Klopp deutlich mehr geprägt, als das die meisten wirklichen Bundesliga-Trainer je getan haben.

So ähnlich sieht das auch der große England- und Klopp-Anhänger Ralf Rangnick. «Das ganze Club-Building von Jürgen in Liverpool, über Jahre aufgebaut, mit Spielern, die zu seiner Idee passen – das werden die Leute dort noch in 20 Jahren zu schätzen wissen, auch wenn er keinen Titel holen sollte», sagte RB Leipzigs Sportdirektor der «Süddeutschen Zeitung».

Trotzdem: Die Champions League will Klopp am Samstag in Madrid auf jeden Fall gewinnen. Er hat drei Jahre gebraucht, um den FSV Mainz 05 in die Bundesliga zu führen und auch drei Jahre, um mit Borussia Dortmund zum ersten Mal deutscher Meister zu werden. Jetzt soll im dritten Anlauf auch der erste Europacup-Triumph mit dem FC Liverpool her. «Die Welt da draußen erwartet von uns, dass wir das Finale gewinnen. Von mir persönlich erwarten das viele Leute vielleicht noch ein bisschen mehr, weil ich es so oft versucht habe», sagte Klopp. «Ich will das unbedingt, aber ich will das nicht für mich. Ich will das für meine Spieler und für diesen großartigen Club erreichen.»


(dpa)

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