Die Aufzug-Chefin

Rio de Janeiro (dpa) – 17.00 Uhr, Rush-Hour. 30 Leute warten, der Aufzug «Alpha» nähert sich der Talstation. Claudia Eliana da Silva öffnet die Tür. Links kommen die Einkäufe und Fahrräder der Fahrgäste rein, tagsüber werden hier auch die orangenen Mülltonnen rauf- und runter transportiert.

«Como vai»? – «wie geht’s». Sie kennt fast alle. Auch Ronald Schill? «Ah, der große Weiße, der Deutsche? Ja, vom Sehen.» Da Silva ist die Herrin über den Aufzug in der Favela Pavão-Pavãozinho, in der auch Hamburgs früherer Innensenator wohnt.

Im Zuge der Verbesserung der Lebenssituation in den Favelas gibt es auch in Pavão seit 2011 einen von der Stadtverwaltung spendierten Aufzug, so spart man sich die fast 500 Stufen nach oben, denn die Armenviertel kleben am Berg, von oben gibt es einen der schönsten Blicke auf die Bucht von Copacabana. Die Fahrt ist für alle gratis.

Da Silva, knallrot gefärbte Haare, führt ein strenges Regiment – ist aber immer für ein Späßchen zu haben. Lacht. «Um die Zeit bin ich aber etwas gestresst, es ist sehr eng, ich habe immer etwas Sorge um die Kinder.» Sie wohnt gar nicht selbst hier, sondern reist für sechs Stunden Aufzugdienst immer eineinhalb Stunden an, aus einer Favela im Norden. Sehr typisch für Rio, weite Wege für wenig Verdienst. «1025 Reais verdiene ich damit im Monat.» Das sind ungefähr 280 Euro.

Die 48-Jährige hat drei Söhne und eine Tochter. «Wir schlagen uns so durch.» Aber sie hat einen fantastischen Arbeitsplatz, immer mit Blick aufs Meer. Sie drückt den Knopf, es geht nach oben. 15 Personen gehen maximal rein, penibel zählt sie die Personen ab, dann wird die Tür geschlossen. Auch in einigen anderen Favelas gibt es inzwischen Aufzüge, die das Leben der Menschen erleichtern – und den Touristen, die sich hierher trauen, unbekannte, atemberaubende Blicke bescheren. Und helfen, das Bild der Favelas als Hort des Verbrechens zu revidieren – das Leben ist bunt, lebensfroh, immer ist irgendwo Musik zu hören.

Der Aufzug ruckelt nach oben, Stück für Stück wird der Blick frei auf das Häusermeer von Copacabana, dahinter liegt das richtige, tiefblaue Meer, der Strand kommt ins Blickfeld. Zwischenstopp auf Stufe drei, Gedrängel, Aussteigen, Einsteigen. «Schnell, schnell», mahnt da Silva. Das Verblüffende: Sie kennt zwar den neuesten Tratsch und wer schwanger ist. Aber wie oft sie pro Schicht rauf und runter fährt? «Keine Ahnung, ich bin so darauf konzentriert, dass nichts passiert und es schnell geht, da hab ich noch nie mitgezählt.»

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(dpa)