«Es wird keinen neuen Zlatan geben» – bitterer Abschied

Nizza (dpa) – Er geht als Legende, aber auch als Unvollendeter: Zu schwer lasteten Druck und Alleinverantwortung bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich auf den Schultern des Zlatan Ibrahimovic.

Drei Spiele, null Siege, kein Tor vom Ausnahmekönner aus Malmö. Der einsame Solist schaffte es wieder nicht, ein Durchschnitts-Team in ein EM-Achtelfinale zu dirigieren.

Wie schon 2008 und 2012 scheiterten die Schweden in der Gruppenphase. Nach vier EM-Teilnahmen und 62 Toren in 116 Länderspielen verlässt Ibrahimovic die Nationalmannschaft seines Landes und hinterlässt ein Vakuum, das der schwedische Fußball nicht wird schließen können. «Es wird keinen neuen Zlatan geben. Er ist speziell, einzigartig», sagte Auswahltrainer Erik Hamrén nach der 0:1-Niederlage am Mittwoch in Nizza gegen Belgien. «15 Jahre, vier Monate und 23 Tage hat Zlatan Ibrahimovic Schweden vertreten wie kein anderer vor ihm und keiner nach ihm. Aber das ist jetzt vorbei», schrieb «Aftonbladet».

Als der deutsche Schiedsrichter Felix Brych um 22.50 Uhr zum letzten Mal gepfiffen hatte, erlebte die Côte d’Azur einen hollywoodreifen Abschied voller Wehmut und Pathos. Ibrahimovic stand einsam am Mittelkreis, streifte sich die Spielführerbinde vom Arm und verabschiedete sich erst von jedem seiner Mitspieler und dann von den Fans. Der 34-Jährige blinzelte kurz mit den Augen, dann verschwand er als Erster in den Katakomben. Sogar die belgischen Fans applaudierten dem polarisierenden Angreifer, Trainer Marc Wilmots eilte zum Kabineneingang, um sich mit einer Umarmung zu verabschieden.

Es war der Abend der Würdigungen und Huldigungen, es war nicht die Zeit für Kritik und Anschuldigungen. Nach einer starken Saison bei Paris Saint-Germain und knapp sechs Wochen nach seiner vielzitierten Abschiedsankündigung («Ich kam als König und ging als Legende.») spielte Ibrahimovic insgesamt eine schwache EM. Beim 1:1 gegen Irland und dem 0:1 gegen Italien brachte der glücklose Stürmer keinen Torschuss zustande. Gegen Belgien war er zwar torgefährlicher und traf auch endlich – aber Brych gab den Treffer zurecht nicht.

«Es fühlt sich hart an, es fühlt sich enttäuschend an», sagte Ibrahimovic, als er spät in der Nacht zum Mannschaftsbus eilte, der bereits mit laufendem Motor vor dem Stadion wartete. Die Anzugjacke hatte er abgelegt, mit weißem Hemd und blauer Krawatte blieb er in der überfüllten Mixed-Zone mehrmals stehen, um erstaunlich geduldig Fragen auf schwedisch und englisch zu beantworten.

«Ich bin glücklich, dass ich Schweden repräsentieren durfte. Ich behalte fantastische Erinnerungen. Es war eine großartige Geschichte, wenn ich daran denke, wo ich herkomme», sagte der Vater zweier Kinder. Der Sohn einer kroatischen Mutter und eines bosnischen Vaters wuchs in Rosengard im Problemviertel von Malmö auf. Die Ehe seiner Eltern zerbrach, als er zwei Jahre alt war. Im Verein wird er weiterspielen, sein Wechsel zu Manchester United steht kurz bevor.

Nur im gelb-blauen Trikot der Landesauswahl wird man Ibrahimovic nicht mehr sehen – was manche Beobacher auch als Chance werten. «Es ist richtig von Zlatan, die Nationalmannschaft zu verlassen. Es gibt nichts mehr aus dieser Beziehung herauszupressen, und in letzter Zeit ging es doch sehr, sehr viel um Zlatan», schrieb «Expressen».

Im Gegensatz zu seinem noch exzentrischeren Konterpart Cristiano Ronaldo, der es mit den Portugiesen in die K.o.-Runde schaffte, wird der sechsfache EM-Torschütze Ibrahimovic den Neun-Tore-EM-Rekord von Michel Platini nicht knacken können. «Ich hätte Zlatan ein besseres Ende gewünscht», sagte Auswahltrainer Hamrén und schloss mit den Worten: «Aber ich hoffe, wir finden neue gute Spieler.»

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(dpa)