Favre und der BVB – alles eine Frage der Zeit

Dortmund – Lucien Favre betont es immer wieder. «Es braucht Zeit» – das ist einer der zentralen Sätze, die der Schweizer in diesen Tagen von sich gibt. Zeit indes ist im schnelllebigen Fußballgeschäft ein Mangel, das ist dem 60 Jahre alten Trainer bewusst.

Bei Borussia Dortmund wollen sie ihm Zeit lassen, ansonsten hätten sie den Schweizer beim sportlichen Erbe von Peter Bosz und Peter Stöger wohl gar nicht aus Nizza, wo er mit OGC 2016/17 Dritter und 2017/18 Achter wurde, in die Bundesliga zurückgeholt.

«Das wird kein 100-Meter-Sprint, wir alle benötigen auch ein wenig Geduld», ließ BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke denn auch wissen. Und: Man werde «auf jeden Fall» zwei Sommer-Transferperioden benötigen, um den Neustart abzuschließen. Das spricht dafür, dass Favre selbst im Fall einer sportlichen Krise das Vertrauen seiner Bosse haben dürfte.

Das wird auch not tun. Denn der Mann aus der Schweizer Gemeinde Saint-Barthélemy im Kanton Waadt ist als akribischer Perfektionist bekannt, als einer, der mit Detail- und Aufbauarbeit das gesamte Können aus seinen Spielern herauskitzeln möchte. In Dortmund muss er zudem eines bewältigen: die Balance zwischen Offensiv-Lust und funktionierender Defensive. Unter Bosz und später Stöger gab es in der vergangenen Saison 47 Gegentreffer. Das darf so nicht erneut geschehen, will der BVB peu à peu wieder zum Jäger der Münchner Bayern werden.

Bei dieser Formulierung winkte BVB-Sportdirektor Michael Zorc schon vor dem Liga-Auftakt am Sonntag gegen RB Leipzig ab: «Den Begriff benutzen wir nicht.» Stattdessen gilt: das Beste aus den eigenen Möglichkeiten herauszuholen. Gegen die Sachsen gelang das, abgesehen von Nachlässigkeiten in der Abwehr, überzeugend. Beim 4:1 offenbarten Axel Witsel, Thomas Delaney, der neue Kapitän Marco Reus oder auch Mahmoud Dahoud zum einen Übersicht und zum anderen große Lust am Tore-Schießen.

Das machte ihnen sichtlich Spaß – ähnlich wie zu Saisonbeginn 2017/18. Vor Jahresfrist stürmte die Borussia unter dem niederländischen Thomas-Tuchel-Nachfolger Bosz in den ersten Spielen durch die Liga. 21:2 lautete seinerzeit die Trefferbilanz nach sieben Begegnungen, in denen es sechs Siege und ein torloses Remis in Freiburg gab. Fünf Zähler lagen damals zwischen dem Tabellenführer aus Dortmund und den Bayern auf Platz zwei.

Dann endete am achten Spieltag mit dem 2:3 gegen Leipzig die Serie von 41 BVB-Heimspielen ohne Niederlage. Es ging bergab, Bosz wurde Anfang Dezember durch Stöger ersetzt. Mit dem Österreicher gelang auf den letzten Drücker die Qualifikation für die Königsklasse – trotz streckenweiser fader Auftritte der Borussia-Profis.

Genau das will Favre abstellen. Die BVB-Bosse griffen für die personelle Belebung tief in die Kasse und investierten mehr als 70 Millionen Euro in neue Spieler wie Abdou Diallo, Delaney, Witsel oder Marius Wolf. Am Dienstag kam als Leihgabe des FC Barcelona noch der spanische Mittelstürmer Paco Alcácer dazu. Er könnte schon am Freitag (20.30 Uhr/Eurosport), einen Tag nach seinem 25. Geburtstag, in der Partie bei Hannover 96 sein Debüt geben. Aber auch bei der neuen Nummer neun gilt für Favre der Zeitfaktor: «Er muss sich eingewöhnen.»

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Hannover 96: Esser – Sorg, Anton, Wimmer, Ostrzolek – Schwegler, Walace – Bebou, Haraguchi – Asano, Füllkrug

Borussia Dortmund: Bürki – Piszczek, Akanji, Diallo, Schmelzer – Dahoud, Witsel, Delaney – Pulisic, Alcácer, Reus

Schiedsrichter: Zwayer (Berlin)


(dpa)

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