Graciano Rocchigiani stirbt bei Verkehrsunfall in Italien

Berlin/Rom – Graciano Rocchigiani früherer Manager Wilfried Sauerland war geschockt. «Es tut mir so leid, das er so jung sterben musste. Eine Tragik», sagte Sauerland in Palma de Mallorca.

Rocchigiani ist am Dienstagmorgen auf der italienischen Insel Sizilien in Italien bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Er sei am Montagabend in dem Ort Belpasso bei Catania zu Fuß auf einer Straße unterwegs gewesen und von einem Auto erfasst worden, sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Der genaue Hergang müsse noch ermittelt werden, unter anderem ob auch Alkohol im Spiel war. Laut italienischen Medien war ein deutscher Staatsbürger kurz vor Mitternacht auf der mehrspurigen Staatsstraße SS121 unterwegs, bevor er von einem Smart überfahren wurde. Der Fußgänger sei sofort tot gewesen. Am Steuer des Wagens soll ein 29-Jähriger aus Catania gesessen haben.

Der deutsche Box-Präsident Thomas Pütz nannte den 54-Jährigen «einen der ehrlichsten Menschen, die ich kannte». «Er war nicht einfach», charakterisierte ihn Sauerland, unter dessen Leitung «Rocky» 1988 zum ersten Mal Weltmeister wurde. Graciano Rocchigiani war es egal, ob er aneckte oder mit der Justiz mehr als einmal in Konflikt geriet: Er war unbequem, aufbrausend, als boxender Rechtsausleger hochtalentiert und unbeugsam. Einen seiner letzten großen Kämpfe gewann Rocchigiani 2004 vor einem US-Gericht.

Für die nicht rechtmäßige Aberkennung des WM-Titels des Weltverbandes WBC, den er sich sechs Jahre zuvor gegen Michael Nunn (USA) erkämpft hatte, nahm er ein Ausgleichsangebot in Höhe von 4,5 Millionen Dollar an. Ihm waren 31 Millionen zugesprochen worden, woraufhin der WBC Konkurs anmeldete. Niemand hatte dem Jungen aus Berlin-Schöneberg zugetraut, dass er bei dem Rechtsstreit auch nur den Hauch einer Chance haben könnte. Sehr lange reichte das viele Geld aber nicht, zeitweise lebte er von Hartz IV.

Doch er rappelte sich wieder auf und wurde zuletzt vom TV-Sender Sport1. bei Profiboxkämpfen als «Experte» inszeniert. Auch in dieser Rolle nahm der Berliner dialektstark selten ein Blatt vor den Mund und nannte die Leistung der Protagonisten schon einmal freiweg «Scheiße». Außerdem war er Jury-Mitglied der Sendung «Sport1 – The Next Rocky», die im Internet lief. Die für diesen Dienstag vorgesehene aufgezeichnete Folge wurde ausgesetzt.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigte sich betroffen vom Unfalltod des Boxers Graciano Rocchigiani. Die Hauptstadt trauere um einen «Boxer mit großem Herz». «Er war auch eine Urberliner Type, der Schnauze mit Herz verband», teilte Müller mit.

Als Profiboxer bestritt Rocchigiani Halbschwer- und Supermittelgewichtler in seiner 20-jährigen Karriere 48 Kämpfe, von denen er 41 gewann. Am 11. März 1988 wurde er in Düsseldorf unter Manager Sauerland gegen den US-Profi Vincent Boulware zum ersten Mal Weltmeister. Er boxte 1995 zweimal gegen «Gentleman» Henry Maske und hatte den Vorzeige-Boxer im ersten Fight am Rand des K.o., als Maske in der letzten Runde sogar zu Boden musste. Aber wie so oft in seiner Karrie waren die Punktrichter nicht auf seiner Seite. Maske bekam einen sehr, sehr schmeichelhaften Punktsieg zugesprochen.

Im Rematch hatte «Rocky» keine Chance, der TV-Magnet Maske war halbwegs rehabilitiert. Jahrelang war Rocchigiani auf Maske nicht gut zu sprechen, in den letzten Jahren hatten sie sich aber versöhnt. Nicht so mit Dariusz Michalczewski, den Rocchigiani am 10. August 1996 am Millerntor in Hamburg nach allen Regeln der Kunst ausboxte. Ein angeblicher Tiefschlag und ein missachtetes Kommando des Ringrichters brachte dem Polen den Sieg durch Disqualifikation des Berliners.

Das Stadion stand Kopf wegen dieser Ungerechtigkeit – und Rocchigiani blieb wieder nur die Erkenntnis: «Alles Beschiss». Seinen letzten Kampf verlor er am 10. Mai 2003 gegen den Berliner Thomas Ulrich, sein Debüt als Berufsboxer hatte er 1983 gegeben. Vor Monaten ließ er mit der Nachricht aufhorchen, einen millionenschweren Kampf gegen den einstigen amerikanischen Superboxer Roy Jones Junior (49) zu planen.

Im Kampf gegen die Justiz ging er immer als Verlierer vom Platz. Er wurde mehrfach zu Freiheitsstrafen verurteilt, darunter wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, aber auch wiederholten Fahrens ohne Führerschein. Im Januar 2007 musste er in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne zum zweiten Mal wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen eine neunmonatige Gefängnisstrafe antreten. Auf eigenen Wunsch jedoch ließ er sich schließlich in den offenen Vollzug verlegen, um weiter ein Fitnessstudio in Duisburg weiter betreiben zu können.

Im November 2007 wurde Rocchigiani vorzeitig aus der Haft entlassen. Im Juni 2012 war er zu einer Geldstrafe wegen Nötigung verurteilt worden.


(dpa)

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