Handspiel-Wirrwarr und Video-Shows: Referees in der Kritik

Frankfurt/Main – Handspiel-Wirrwarr, Video-Shows und jede Menge Kritik: Die einst als Besten der Welt gelobten Bundesliga-Schiedsrichter haben ihren guten Ruf in dieser Saison fast verspielt.

Kaum ein Spieltag verging, an dem die Pfeifenmänner der Republik nicht zu Buhmännern erklärt wurden. Selbst Schiedsrichter-Boss Lutz Michael Fröhlich rückte unlängst ein wenig von seinen Schützlingen ab und räumte ein, über einige Entscheidungen «irritiert und etwas enttäuscht» zu sein.

Dabei sollte nach der offiziellen Einführung des Videobeweises alles besser werden, nachdem das technische Hilfsmittel im durchwachsenen Probejahr 2017/18 oft infrage gestellt worden war. Doch an diesem Punkt ist die Bundesliga längst wieder angekommen. «Das ganze Spiel ist nicht mehr das Spiel, was es sein muss. Das ist kein Fußball mehr», wetterte Freiburgs Trainer Christian Streich jüngst.

Nicht nur Friedhelm Funkel, mit 65 Jahren der älteste und erfahrenste Fußball-Lehrer im Oberhaus, macht die Technik für die spürbare Verunsicherung der Referees verantwortlich. «Die Schiedsrichter sind nicht mehr so souverän und selbstsicher, wie sie es vor dem Videokeller waren», kritisierte der Coach von Fortuna Düsseldorf.

Es gibt also viel Redebedarf in der Sommerpause, wenn Fröhlich die Saison mit den Unparteiischen aufarbeitet. «Die Handspielauslegung und auch der Videoassistent werden die Schwerpunktthemen für die Saisonvorbereitung sein», kündigte der 61-Jährige unlängst in einem Interview der «Welt» an. «Diesbezüglich müssen wir zielgerichteter an die Schiedsrichter ran, die das Handspiel falsch auslegen und somit negative Referenzfälle liefern, so dass das ganze System in der Öffentlichkeit immer wieder infrage gestellt wird.»

Mittlerweile sogar von ehemaligen Top-Schiedsrichtern. Markus Merk und Peter Gagelmann nehmen sich ihre Nachfolger als TV-Experten fast wöchentlich zur Brust – und Thorsten Kinhöfer stellte zuletzt in einer «Bild am Sonntag»-Kolumne fest: «Die Auslegung der Handregel ist mittlerweile völlig willkürlich. Der Videobeweis verliert total an Akzeptanz.»

Dabei hat der Deutsche Fußball-Bund einiges dafür getan, die Unparteiischen fit zu machen. Mit dem einstigen FIFA-Referee Jochen Drees wurde extra ein erfahrener Mann zum Projektleiter für diesen sensiblen Bereich berufen. Zudem gab es Zusatzschulungen für die Referees in Sachen Handspiel – dem größten Zankapfel. Gefruchtet hat dies ebenso wenig wie die größere Transparenz beim Eingreifen des Video-Assistenten.

Im Gegenteil: Weil seit dieser Saison neben den TV-Zuschauern auch die Trainer am Spielfeldrand zweifelhafte Situationen aus allen möglichen Kamerapositionen in mehreren Zeitlupen sofort begutachten können, ist die Atmosphäre oft vergiftet. Denn die Wahrnehmung ist häufig unterschiedlich.

Den gestiegenen Unmut im Umfeld bekommen die Unparteiischen jede Woche zu spüren – meistens verbal, manchmal sogar physisch. So wurde Schiedsrichter Markus Wollenweber Anfang Mai nach dem Drittligaspiel FC Carl Zeiss Jena gegen Würzburger Kickers (3:4) von einem Fan der Thüringer mit einem Stuhl beworfen und dabei leicht verletzt.

Die Regelhüter des International Football Association Board (IFAB) haben auf die heißen Debatten, die auch in anderen Top-Ligen an der Tagesordnung sind, teilweise reagiert und Anfang März zwei Präzisierungen zur kommenden Saison beschlossen. Ab dem 1. Juni soll ein Handspiel vor der Erzielung eines Tores – auch wenn es unabsichtlich war – immer strafbar sein. Zudem wird die «unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche» bei einem Handspiel Bestandteil des Regelwerks – allerdings mit Einschränkungen.

«Wir werden auf dieser Basis den Dialog mit den Clubs über Workshops weiter nutzen, um die Regelauslegung weiterzuentwickeln», versprach Schiri-Boss Fröhlich. Doch allen Beteiligten dämmert, dass dies nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Video-Chef Drees gibt sich jedenfalls keinen Illusionen hin: «Es wird auch mit den neuen Änderungen nicht streitlos über die Bühne gehen.»


(dpa)

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