Hinter den Dinosauriern: Formel 1 ringt um die Zukunft

Melbourne – Gleich hinter Eingang acht im Albert Park liegt das Dinosaurier-Gehege. Die Plastik-Monster in der «Jurassic World» sollen vor allem den jüngsten Besuchern beim Formel-1-Saisonauftakt in Melbourne Vergnügen bereiten.

Dass die Rennserie ausgerechnet mit ausgestorbenen Fossilien um die Kundschaft der Zukunft wirbt, dürfte so manchem ihrer Kritiker durchaus passend erscheinen. Mehr denn je muss sich die Formel 1 für die teure Raserei rechtfertigen. Das Ringen um die Grundlagen für einen Fortbestand des PS-Spektakels geht hinter den Kulissen in die entscheidenden Runden.

Am 26. März treffen sich in London die Schwergewichte des Renngeschäfts, beschlossen werden soll kaum weniger als eine Revolution für das schnelle Gewerbe. «Die Budget-Obergrenze kommt, ein neues Fahrzeugreglement kommt, ein neues Motorreglement kommt, wir werden eine andere Geldverteilung haben», diktiert Jean Todt, der Präsident des Weltverbands FIA, den Journalisten in Melbourne in die Notizblöcke.

Gelten soll der neue Rahmen für die Königsklasse des Motorsports von 2021 an. Das Ziel von Regelwächtern und Vermarktern ist es, die Kosten für den Rennbetrieb drastisch zu reduzieren, Wettbewerb und Action auf der Strecke zu erhöhen und durch moderne Technologie auch dem Umweltsünder-Vorwurf zu begegnen. Eine deutliche Kurskorrektur scheint dringend nötig.

Immerhin fast die Hälfte der Deutschen hält die Formel 1 für nicht mehr zeitgemäß. Für 47 Prozent der Bundesbürger hat die Rennserie als Sport ausgedient, wie das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur in einer Umfrage ermittelte. Für lediglich 36 Prozent passt der PS-Zirkus noch in die heutige Zeit. Ein bedenkliches Zeugnis so kurz vor dem 1000. Grand Prix der Geschichte, den die Formel 1 Mitte April in Shanghai inszeniert.

Das will FIA-Boss Todt nicht so stehen lassen. «Generell würde ich festhalten: Ich habe seit Jahren nicht so viel frischen Wind gespürt in der Formel 1», betont der 73 Jahre alte Franzose, der einst als Ferrari-Teamchef die Rekordfahrten des Michael Schumacher dirigierte.

Seit 1950 dreht die Formel 1 bereits ihre Runden. In dieser Saison sind 21 Rennen auf fünf Kontinenten geplant. Die Top-Teams Ferrari, Mercedes und Red Bull geben hunderte Millionen Euro für den Kreisverkehr aus. Kleinere Rennställe sind dauerhaft abgehängt. Das technische Regelwerk ist hoch komplex und für die wenigsten Fans noch verständlich. Günstiger, spannender, einfacher – das ist die Vision der Formel-1-Macher.

Dafür wollen sie ein Etatlimit durchsetzen, das vor allem die großen Teams zu Einschnitten zwingen und einbremsen würde. Weniger aerodynamische Spielereien sollen möglich sein, die Überholchancen auf diese Weise erhöht werden. Doch ob gerade die Branchenriesen da zustimmen? «Wir haben gute Fortschritte gemacht, bewegen uns mit allem in eine generelle Richtung», sagt Formel-1-Chef Chase Carey. Bei den Details indes gebe es «zehn verschiedene Meinungen». Aber: «Es ist nicht einmalig in der Welt, Kompromisse zu finden.»

Die Debatte dürfte heikel bleiben. Nur noch bis Ende 2020 sind die Rennställe durch den Grundlagenvertrag an die Formel 1 gebunden. Red Bull hat zuletzt immer wieder mit einem Ausstieg gedroht, wenn das neue Abkommen nicht den Vorstellungen des Getränke-Konzerns entspricht.

Als saubere Alternative präsentiert sich die vollelektrische Rennserie Formel E. Die Autobauer BMW und Audi sind schon mit einem Werksteam dabei, Porsche und auch Mercedes folgen zur nächsten Saison. Die stromgetriebenen Boliden rasen durch Metropolen wie Hongkong, New York, Rom und Paris – immer auf die grüne Tour. So mancher in der Formel 1 verweist jedoch darauf, dass die Erzeugung des Stroms in Kraftwerken keineswegs so sauber sei, wie es die schöne Werbung für die Formel E glauben machen will.

Mit einem Verbrauch von rund 150 Litern Benzin pro Rennen ist aber auch die Öko-Bilanz eines Formel-1-Boliden eher fragwürdig. Zu kurz gedacht, kontert Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Die hohe Effizienz der Motoren und die hoch entwickelten Systeme zur Energierückgewinnung in den Autos seien auch wegweisend für die Serienproduktion, betont der Österreicher. Die Emissionen großer Containerschiffe, der weltweite Flugverkehr, das Plastik in den Meeren – all das sei viel schlimmer für die Umwelt als die Formel 1.

Daheim kann Wolff diese Argumentation gleich auf den Prüfstand stellen. Wie der 47-Jährige in Melbourne verriet, schwänzten seine beiden Kinder aus erster Ehe am Freitag die Schule – und beteiligten sich an den Protesten vieler junger Menschen für mehr Klimaschutz.


(dpa)

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