Interimstrainer Willig gibt Stuttgart neue Hoffnung

Stuttgart – Nico Willig brauchte nicht mal eine Woche. Er leitete ein paar Trainingseinheiten, änderte die Taktik, vor allem aber führte er sehr viele Gespräche – und seine Worte bewirkten etwas, was kaum jemand noch für möglich gehalten hatte.

Der Interimstrainer hat dem VfB Stuttgart durch den 1:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach neue Hoffnung gegeben. «Er ist ja noch ein junger Trainer. Aber für mich hat er einen Eindruck gemacht, als würde er schon über Jahre im Profigeschäft tätig sein», sagte ein sichtlich beeindruckter VfB-Kapitän Andreas Beck. «Die Ansprache, die Souveränität: Also wirklich Respekt.»

Beck ist Ex-Nationalspieler und seit über 13 Jahren Profifußballer, Willig als Spieler nicht mal über die Oberliga hinaus gekommen. Bundesliga-Spiele hatte der bisherige U19-Coach der Schwaben zuvor nur vor dem Fernseher oder von der Tribüne aus verfolgt.

Spätestens nach dem Sieg gegen Gladbach ist er Stuttgarts letzte Hoffnung auf den versöhnlichen Abschluss einer desolaten Spielzeit. Trotz aller Euphorie sieht der 38-Jährige die Situation realistisch: «Der Schritt war von der Intensivstation auf die Krankenstation. Nicht mehr und nicht weniger.»

Tatsächlich bleibt die sportliche Lage der Schwaben ernst. Zwar festigte der VfB mit dem erst zweiten Sieg 2019 den Relegationsplatz. Durch den Derbysieg des FC Schalke 04 beträgt der Rückstand auf Rang 15 aber weiterhin sechs Punkte. Angesichts von nur noch drei ausstehenden Spielen peilen die Schwaben bereits die Relegation an.

Das sei vom ersten gemeinsamen Tag mit Willig das klare Ziel gewesen, sagte VfB-Sportvorstand Thomas Hitzlsperger. «Wir blicken auf diesen 16. Platz, um ihn zu sichern.» Das will auch Willig, der schon bei seiner Vorstellung am vergangenen Mittwoch davon gesprochen hatte, den «Relegationspokal» gewinnen zu wollen.

Tritt seine Mannschaft auch am kommenden Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei Hertha BSC so auf, dürfte diese Ziel nicht mehr in Gefahr geraten. Mit wenigen Kniffen ist es Willig gelungen, den VfB nach der 0:6-Schmach beim FC Augsburg am vergangenen Wochenende und anschließender Beurlaubung von Ex-Coach Markus Weinzierl zu beleben.

Er stellte das System auf ein 4-4-2 mit Raute und den erfahrenen Beck und Dennis Aogo im Mittelfeldzentrum um. Er ließ seine Spieler mal hoch pressen, mal tief verteidigen. Vor allem aber gab er ihnen Selbstvertrauen zurück. «Die Stimmung war gut, wir waren wie eine Familie», sagte Torschütze Anastasios Donis.

Unter seinem Vorgänger Weinzierl war davon zuletzt überhaupt nichts zu spüren. Er würde dennoch nicht sagen, dass man beim 0:6 in Augsburg gegen Weinzierl gespielt habe, sagte Beck. Aber seitdem sei etwas passiert in der Mannschaft. «Wir hatten in den letzten Wochen immer wieder auch den Verteidigungsmodus drin, das ist eher eine destruktive Art zu denken», sagte Manager Hitzlsperger.

Für Weinzierl sprechen diese Worte sicher nicht. Aber der ist ja auch nicht mehr da. Die Hoffnungen des VfB ruhen längst auf Nico Willig, der aber nur bis zum Saisonende Chefcoach bleibt und anschließend zur U19 zurückkehrt. Das ist die klare Absprache zwischen beiden Seiten. Macht Willig so weiter, könnte es schwer werden, sich daran zu halten.


(dpa)

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