Keser sieht «Türkenfeindlichkeit» – Vorwürfe gegen den DFB

Dortmund (dpa) – Die Zerrissenheit junger Fußballer mit deutschem und türkischem Herzen in der Brust hat Erdal Keser viele Jahre lang aus nächster Nähe erlebt.

Als Leiter des Europa-Büros des türkischen Fußball-Verbandes (TFF) in Köln hatte der Ex-Profi von Borussia Dortmund bis 2014 die Aufgabe, Spieler mit deutschen und türkischen Wurzeln für die TFF zu gewinnen. Bei Nuri Sahin, den Altintop-Brüdern oder Hakan Calhanoglu war das erfolgreich, bei Emre Can, Ilkay Gündogan oder Mesut Özil nicht.

Der Rücktritt Özils aus der deutschen Nationalmannschaft und vor allem die Randerscheinungen und hitzigen Diskussionen werden die Entscheidung für die jungen Spieler künftig noch schwerer machen, glaubt Keser. Und er ist vor allem sicher: Sie werden es für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) viel schwerer machen, diese Spieler für sich zu gewinnen. Es sei «absolut» so, dass sich Spieler mit beiden Wurzeln künftig eher für die Türkei entscheiden werden, sagte Keser im Interview der Deutschen Presse-Agentur: «Sie werden sich künftig nicht nur fragen müssen, was für sie zählt. Sie werden sich auch fragen müssen, ob sie für Deutschland solche Super-Leistungen bieten können und ein solch wichtiger Bestandteil der Mannschaft sein können, dass sie keine Akzeptanz-Probleme bekommen.»

Deutsch-türkische Spieler in Deutschland werden nach Kesers Ansicht als Folge der gesellschaftlichen und politischen Diskussionen rund um das Thema Özil «sicher noch mehr beäugt werden. Es war vorher auch schon so, dass man als ausländischer Spieler nur mit einer Super-Leistung akzeptiert wird», sagte der in der Türkei geborene und ab dem elften Lebensjahr in Westfalen aufgewachsene Keser: «Aber das wird noch extremer werden: Spielt man gut, ist man der Held. Tut man es nicht, ist man der Loser.»

Die größte Schuld an der öffentlichen Dimension der Debatte um den zurückgetretenen Nationalspieler sieht Keser beim DFB. «Die Aussagen von Oliver Bierhoff und Reinhard Grindel nach der WM waren unprofessionell und eine Vorlage für alle, die rassistisches Gedankengut hegen.»

Özil hatte in seiner dreiteiligen Abschieds-Abrechnung DFB-Funktionären und Teilen der Gesellschaft Rassismus vorgeworfen. «Ich würde vielleicht nicht von Rassismus sprechen», sagte Keser dazu: «Sondern von Türkenfeindlichkeit. In dieser Hinsicht ist dies vielleicht ein spezieller Fall durch die Entwicklung, die er genommen hat. Aber wir dürfen die Augen nicht verschließen. Normalerweise ist der Fußball dazu da, um Brücken zu bauen. Derzeit wird er dafür genutzt, um die Leute politisch gegeneinander aufzuwiegeln.»

Özil trage aber auch eine Schuld an seinem stets schwierigen Stand im DFB-Team. «Er hätte es einfacher gehabt, wenn er die Hymne gesungen hätte», sagte Keser: «Wenn ich mich entschieden habe, für ein Land zu spielen und meine Knochen für dieses Land hinzuhalten, dann muss ich auch dazu stehen und die Hymne mitsingen. Da finde ich es eher scheinheilig, wenn Lukas Podolski nach einem Tor gegen Polen nicht jubelt.»

(dpa)