Kitzbühel und die Sicherheit: «Hat sich viel getan»

Kitzbühel (dpa) – Schwere Stürze gehören zur Geschichte der Streif wie die Bilder spektakulärer Sprünge und strahlender Sieger.

Wenn die besten Skirennfahrer am Wochenende in Kitzbühel um den Sieg rasen, sollen unzählige Maßnahmen an und auf der Strecke dafür sorgen, dass sich niemand (schwer) verletzt. Absolute Sicherheit gibt es in einem Freiluftsport, bei dem Geschwindigkeiten von 140 Stundenkilometern erreicht werden, aber nicht. Das wissen Sportler und Veranstalter. Sie setzen auf Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte, in denen oft schlimme Unfälle den Ausschlag für Veränderungen gaben.

In der nächsten Woche (29. Januar) jährt sich zum 25. Mal der Todessturz von Ulrike Maier in Garmisch-Partenkirchen. «Damals hat man gesagt: Ihr könnt bauen was ihr wollt, solche Unfälle passieren weiter», erzählte der einstige FIS-Renndirektor Günter Hujara der Deutschen Presse-Agentur. Für seinen Drang, den Sport sicherer zu machen, wurde der Schwarzwälder oft kritisiert. «Aber nach 25 Jahren kann man sagen, dass sich sehr viel getan hat», resümierte er.

Beispiel Kitzbühel: Wo früher Holzzäune und Strohballen die einzigen Streckenbegrenzungen waren, sind heute Sicherheitsnetze fest im Boden verankert. Wo Sportler früher bei schlechter Sicht oft vergeblich die Linie suchten, sind heute blaue Markierungen in den Schnee gesprüht. Wo sich Rennfahrer einst mit einem Helm als einzigem Schutz den Berg hinunter stürzten, werden heute Protektoren und Airbags getragen.

Anfang der 1990er Jahren «haben wir begonnen, an allem zu drehen», sagte Hujara. Er erzählte von wilden Sicherheitsvorkehrungen: «Wenn wir meinten, wir müssten eine Stelle besser absichern, haben wir uns Sichtplanen von Tennisplätzen besorgt.» In Zielraum in Wengen stand lange eine Holzhütte, vor der rudimentär ein Strohballen gesetzt wurde – der den Abfahrern im schlimmsten Fall kaum Schutz bot.

«Der Weltcup hat dem Huj viel zu verdanken», sagte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier und lobte, dass sich Hujara umfangreiches Hintergrundwissen einholte, etwa von Biomechanikern. Und doch war es immer ein Kampf, Veränderungen einzuführen. Veranstalter fürchteten, das Spektakel würde leiden, wenn gefährliche Streckenteile entschärft werden. TV-Anstalten schimpften, dass Sicherheitsnetze das Bild störten. Und teuer waren die Umbauten und Investitionen auch. «Wir waren für viele die dummen Deppen der FIS», erinnerte sich Hujara.

Oft setzte ein Umdenken erst nach Unglücken ein. Die blaue Farbe zur Orientierung wurde 2001 eingeführt, nachdem Silvano Beltrametti in Val d’Isère von der Strecke abgekommen war, ein Netz zerschnitt und in den Wald stürzte. Der Schweizer ist seitdem querschnittsgelähmt, die Standards für Netze wurde grundlegend überarbeitet. Weil der Österreicher Hans Grugger 2011 in der Kitzbüheler Mausefalle stürzte und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, wurden bessere Helme entwickelt.

Und dennoch: «Skisport ist nie sicher. Immer nur begrenzt», sagte der aktuell verletzte deutsche Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen im dpa-Interview. «Man kann Zäune aufstellen, einen Airbag anziehen. Aber deswegen ist es trotzdem immer noch eine Risikosportart. Du hast keinen Puffer um dich. Dein Körper ist deine Karosserie.» Auch der derzeitige Frauen-Rennchef Atle Skårdal meinte: «Solange der Sport hohe Geschwindigkeiten beinhaltet, wird immer ein Risiko bleiben.»

Das Potenzial für Verbesserungen aber gibt es. Hujara ermutigt dazu, innovativ zu denken. «Ich wurde ausgelacht, als ich vor zehn Jahren das Thema Airbag angegangen bin. Inzwischen ist er voll etabliert», sagte der 66-Jährige, der zuletzt für Sicherheitsfragen bei der FIS zuständig war und inzwischen Rentner ist. Ginge es nach ihm, dann gehörten die extrem festen Bindungen verbessert. Sie seien der Grund für Kniefrakturen und bergen große Risiken. «Die Situation schreit nach Verbesserungen», sagte Hujara und fordert mehr Forschung an elektronischen Bindungen, die bei Stürzen automatisch öffnen.

Der Deutsche Skiverband experimentiert mit Schutzvorrichtungen an den Beinen, um Knieverletzungen vorzubeugen: Wegen Kreuzbandrissen fallen dem DSV in Kitzbühel gleich zwei Top-Fahrer, darunter Dreßen, aus.

(dpa)