Krisenmanagement bei Fremdenfeindlichkeit im Fußball

Berlin – Von «#ZSMMN» zum Rassismus-Vorwurf in wenigen Wochen – Der brachiale Nationalmannschafts-Rücktritt von Mesut Özil mit den schweren Angriffen gegen die Verbandsspitze um DFB-Präsident Reinhard Grindel ist der vorläufige Höhepunkt der ganz speziellen deutschen Fußball-Geschichte dieses Sommers.

Drama statt Märchen, Özil gegen den Verband statt alle zusammen für den deutschen Fußball. In der Debatte, die mit den Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ihren Anfang nahm, geht es um Fremdenfeindlichkeit sowie Integration – und es geht um Zusammenhalt.

«In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren…», hatte Özil in seiner Rücktrittserklärung geschrieben. Der Verband wies die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Özils Anschuldigungen sind heftig, doch der Tenor der Vorwürfe im internationalen Fußball ist nicht neu.

Frankreichs Karim Benzema, der algerische Wurzeln hat, kritisierte: «Treffe ich, bin ich Franzose. Treffe ich nicht, bin ich Araber». Und der belgische Nationalspieler und WM-Teilnehmer Romelu Lukaku schrieb in einem Gastbeitrag für das Sportportal «The Players‘ Tribune»: «Wenn es gut lief, las ich Zeitungsartikel und sie nannten mich Romelu Lukaku, den belgischen Stürmer. Wenn es nicht gut lief, nannten sie mich Romelu Lukaku, den belgischen Stürmer kongolesischer Herkunft.»

Bei der Weltmeisterschaft in Russland war der türkischstämmige Mittelfeldspieler Schwedens Jimmy Durmaz nach einem Fehler im Spiel gegen Deutschland in den sozialen Medien heftig fremdenfeindlich beleidigt worden und hatte Morddrohungen gegen sich und seine Kinder erhalten. Auch Özil berichtet in seiner Rücktrittserklärung von «Hassmails» und Drohanrufen gegen ihn und seine Familie.

Die schwedische Mannschaft versammelte sich vor dem ersten Training nach der Niederlage gegen den Weltmeister von 2014 hinter Durmaz und rief geschlossen: «Fuck Racism» («Scheiß Rassismus»). «Wir alle sind verschieden, wir denken aber alle gleich über Werte. Wir stehen füreinander ein», sagte der frühere Hamburger Stürmer Marcus Berg zu dem starken Zeichen.

Die schwedischen Spieler reagierten mit Einheit und machten die Angriffe gegen Durmaz bewusst zum Thema. «Das ist mir passiert, doch es ist so viel mehr Leuten in Schweden passiert. Dass wir dieses hier zu etwas Positivem gedreht haben und es zum Thema gemacht haben, das ist groß», sagte Durmaz. «#ZSMMN» (zusammen) so lautete auch ein DFB-Motto zur WM.

Özils Teamkollegen um Kapitän Manuel Neuer und die Führungsspieler Mats Hummels, Thomas Müller sowie Toni Kroos hielten sich nach Özils Rücktritt zunächst bedeckt. Jérôme Boateng, Julian Draxler und Antonio Rüdiger äußerten sich zwar über die sozialen Medien – allerdings nicht zum Thema Rassismus oder den massiven Vorwürfen Özils gegen Land, Leute, Kritiker und Sponsoren. Stattdessen dankten sie ihrem ehemaligen Mitspieler für dessen Leistungen und die gemeinsamen Jahre im DFB-Dress.


(dpa)

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