Löw: «Wir mussten andere Reize setzen»

Paris – Fragen an Bundestrainer Joachim Löw in der Pressekonferenz nach dem 1:2 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Weltmeister Frankreich in Paris.

Wie beurteilen sie das 1:2 in Frankreich?

Joachim Löw: Zunächst einmal bin ich enttäuscht über das Ergebnis, obwohl sich die Niederlage ein bisschen anders anfühlt als die gegen Holland. Die Leistung der Mannschaft war großartig. Innerhalb von zwei Tagen war es eine unglaubliche Leistungssteigerung. Die Mannschaft war sehr konsequent und diszipliniert, hat ihr Herz in die Hand genommen und mutig nach vorne gespielt. Sie hat alle Körner rausgehauen in den 90 Minuten. Wir waren auf Augenhöhe mit der im Moment besten Mannschaft der Welt und hätten das 2:0 machen können. Frankreich hat eine unglaubliche individuelle Qualität. Wenn man dann die eine oder andere Unaufmerksamkeit hat, schlagen sie natürlich Kapital daraus. Wobei: Der Elfmeter zum 2:1 war unberechtigt. Mats Hummels berührt ihn überhaupt nicht, Matuidi tritt Mats auf den Fuß.

Haben Sie auch noch negative Punkte gesehen?

Löw: Wenn überhaupt, dann die Chancenverwertung in der ersten Halbzeit. Wir hätten es absolut verdient gehabt. Wir waren die bessere Mannschaft und hatten auch die Möglichkeiten. Das ist manchmal die Cleverness und Reife, die dem einen oder anderen noch fehlt, da eiskalt zuzuschlagen und das 2:0 zu machen. Wie wir gespielt haben, hätten wir dann wahrscheinlich das Spiel mit aller Konsequenz und Ruhe nach Hause gebracht.

Das Angriffsspiel hatte eine große Geschwindigkeit. Wie sind Sie auf die Idee mit den drei Angreifern gekommen? Ist es vielleicht sogar die Angriffsidee der Zukunft?

Löw: Es war klar, dass wir taktische Veränderungen vornehmen mussten, eine andere Grundordnung brauchten. Wir wollten die Franzosen ein Stück überraschen. Die Entscheidung war, wer kann uns gerade hier in Frankreich von der Geschwindigkeit im Konter helfen? Serge Gnabry hat im Training einen guten Eindruck gemacht. Timo Werner hatte schon manchmal über die Seite viele gefährliche Aktionen gehabt. Leroy Sané hatte jetzt mal seine Chance verdient. Er war im Training sehr engagiert und konzentriert. Er hat bei uns wirklich schon Fortschritte gemacht.

Ist die Entscheidung, Thomas Müller auf die Bank zu setzen, temporär oder zukunftsweisend?

Löw: Grundsätzlich war es die Situation vor dem Spiel, der Gegner Frankreich. Ich habe immer gesagt, dass wir die Achse brauchen. Wir haben noch drei, vier Spieler vom WM-Erfolg 2014. Sie haben nicht von heute auf morgen einfach das Spielen verlernt. Es ist eine schwierige Phase für sie. Aber ich bin voller Überzeugung, man braucht eine gute Mischung gerade bei einem Turnier, wenn es um etwas geht. Thomas Müller hat sich vielleicht zuletzt nicht so gezeigt. Aber er ist ein Antreiber, der mit den jungen Spielern spricht. Von daher ist Thomas weiter absolut wichtig.

Ärgern Sie sich im Nachhinein, dass Sie nicht auch schon in Amsterdam gegen Holland mit so einer mutigen Aufstellung begonnen haben?

Löw: Ich treffe meine Entscheidungen immer aus Überzeugung. Im Nachhinein muss man sagen, okay, es ist nicht aufgegangen. Dann geht es nach vorne, dann muss man neue Lösungen finden. Manchmal sind die Entscheidungen falsch, manchmal richtig. Manchmal sind Aufstellungen falsch in einer Trainerkarriere. Bei mir waren sie häufig richtig, manchmal nicht. Daraus muss man dann die Lehren ziehen. Wir waren alle frustriert: Es war klar, wir mussten andere Reize setzen, andere Impulse geben.

Gegen Frankreich war eine Mannschaft mit mehr jung als alt, mehr Unerfahrenheit als Routine auf dem Platz. Versprechen Sie sich von diesem Spiel jetzt eine Signalwirkung?

Löw: Es war eine gute Leistung, auf der man aufbauen kann, absolut. Es war sehr ansprechend. Die jungen Spieler haben es wirklich klasse gemacht. Serge Gnabry vorne, auch Thilo Kehrer für sein erstes Spiel von Anfang an. Die Frage ist immer bei diesen jungen Spielern, konstant auf diesem Niveau zu spielen. Das braucht manchmal Zeit. Das kommt auch mit der Erfahrung. Junge Spieler sind logischerweise Schwankungen unterworfen. Das muss man sehen und beurteilen von Spieltag zu Spieltag.


(dpa)

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