Neustädter und Rausch mit Russland zu Gast

Moskau – Für Roman Neustädter und Konstantin Rausch ist es ein pikantes Wiedersehen. Lange spielten die beiden Fußballprofis für Deutschland – nun treten die beiden Verteidiger mit dem russischen Doppeladler auf der Brust gegen die DFB-Elf an.

Die Partie in Leipzig ist für die Ex-Bundesligaspieler auch so etwas wie späte Genugtuung. Schließlich waren sie für die Fußball-WM in Russland, bei denen die Gastgeber in rasanten Partien unter anderem im Luschniki-Stadion für Überraschungen sorgten, nicht nominiert – und das, obwohl sie doch eigentlich wegen dieses Turniers den russischen Pass bekommen hatten.

In Leipzig könnte es hingegen an diesem Donnerstag (20.15 Uhr) nach Wunsch verlaufen: Seit der WM gehören beide wieder fest zum Kader, und so berücksichtigte sie Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow auch für das Testspiel gegen Deutschland. Der Ex-Schalker Neustädter, aktuell bei Fenerbahçe Istanbul unter Vertrag, besitzt seit zweieinhalb Jahren den russischen Pass. In der Hoffnung auf Einsätze in der Sbornaja hatte der Defensivspieler ebenso wie Rausch die russische Staatsbürgerschaft angenommen, nachdem eine größere Zukunft beim DFB in weite Ferne gerückt war.

Neustädter wurde in der Sowjetunion geboren, sein Vater ist Ukrainer, die Mutter Russin. Der 30-Jährige absolvierte 2012 und 2013 lediglich zwei Freundschaftsspiele für die deutsche A-Nationalmannschaft – und kann daher laut Regelwerk des Weltverbandes FIFA für Russland auflaufen. Bereits 2016 spielte er für die Sbornaja bei der Europameisterschaft in Frankreich.

Rausch (28), seit Januar Verteidiger bei Dynamo Moskau, wurde in Sibirien geboren, spielte etwa für Hannover 96 und den 1. FC Köln und durchlief die Nachwuchsnationalteams des DFB. Dem «Kicker» sagte er mit Blick auf seinen Wechsel Anfang dieses Jahres: «Alles hier war sehr neu für mich. Gerade die Temperaturen. Du wechselst und dann spielst du das erste Spiel bei minus 17 Grad auf Kunstrasen, das war schon gewöhnungsbedürftig.»

Trotz der stimmungsvollen WM im Sommer: Anders als in Deutschland ist Fußball in Russland in der Rangliste der Volkssportarten nur auf Platz zwei, hinter Eishockey. Es fehlen die glänzenden Erfolge und auch die Nachwuchsarbeit. Bereits 2011 sprach Russlands damaliger Fußball-Nationaltrainer Dick Advocaat daher davon, dass er von der deutschen Talentförderung profitieren möchte. Doch ob Andreas Beck, Alexander Merkel oder Andreas Wolf: Der Lockruf aus Moskau an Talente mit sowjetischen Wurzeln war vergeblich – bis es bei Neustädter und Rausch klappte.

Es sind keine Einzelfälle: Russische Pässe erhielten etwa auch die Brasilianer Guilherme und Ari. Das ist nicht nur auf den Fußball beschränkt. So erlief der südkoreanische Shorttacker Ahn Hyun-Soo bei den Olympischen Winterspielen 2014 als Viktor Ahn für Russland drei Goldmedaillen.

In russischen Internet-Blogs wird der «Trikotwechsel» kontrovers diskutiert. Einige beklagen, dass dies hinderlich sei für den eigenen, russischen Nachwuchs. Andere wiederum sind stolz, wenn ein bekannter Fußballer in ihr Land wechselt.

Dank dem früheren DFB-Auswahlspieler Neustädter durfte das russische Team erst vor gut einem Monat jubeln. Mit seinem Treffer trug er zum 2:0 in der Nations League gegen die Türkei bei. Die Russen haben damit vor dem Schlussspiel gegen Schweden beste Chancen auf den Gruppensieg und den Aufstieg. Diese Begegnung steht nach dem Testspiel gegen Deutschland an. Neustädter und Rausch wurden für beide Partien in den Kader berufen.

Wohl noch nicht ganz verdaut sein dürfte Tschertschessows Entscheidung, dass beide Spieler die Heim-WM nur vor dem Fernseher verfolgen durften. «Natürlich bin ich geschockt und enttäuscht. Ich bin hundertprozentig fit und war bereit, alles zu geben», schrieb Neustädter damals. Es nützte nichts – er fehlte, wie Rausch, der das Turnier wegen einer Verletzung verpasste.

Der russische Fußballverband hatte das eingebürgerte Duo zuvor mit einer Geldstrafe belegt, weil es nach dem Testspiel gegen Brasilien (0:3) mit Freunden in einem Moskauer Nachtclub unterwegs war. Der Verband stellte klar: Das Verhalten verstoße gegen die Regeln und schade dem Image der Nationalmannschaft. Sollten Neustädter und Rausch am Ende tatsächlich gegen Deutschland auf dem Platz stehen, dürften beide auch hier um Rehabilitierung bemüht sein.


(dpa)

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