Neustart: Ferrari gegen Mercedes und Schummelvorwürfe

São Paulo – Neustart nach den Schummelvorwürfen für Ferrari im 100. Rennen von Sebastian Vettel für die Scuderia, Schaulaufen für den nimmersatten Lewis Hamilton und Mercedes – und das auf einem Klassiker-Kurs mit Spektakelgarantie.

Selbst wenn die Titel vergeben sind, es gibt noch einiges zu verlieren auf der Zielgeraden der Formel-1-Saison 2019. «Unterm Strich war es für uns immer ein gutes Revier und hoffentlich wird es das auch an diesem Wochenende wieder so sein», betonte Sebastian Vettel vor dem Großen Preis von Brasilien am Sonntag.

Der plötzliche Leistungsabfall der beiden Ferrari-Rennwagen zuletzt in den USA hatte Fragen aufgeworfen. Im Auto von Vettel-Teamkollege Charles Leclerc wurde nun ein neuer Motor eingebaut – mindestens zehn Startplätze zurück ist die Strafe. Vettel kann ohne Handicap seinen Jubiläums-Grand-Prix für die Scuderia in Angriff nehmen.

Dreimal gewann der 32 Jahre alte Heppenheimer bereits auf der Strecke vor den Toren São Paulos. Ein weiteres Mal und er egalisiert die Marke seines Idols Michael Schumacher. «Ich weiß nicht warum, aber da gibt es etwas Spezielles an diesem Ort und diesem Kurs», sagt Vettel über Interlagos. «Jedes Jahr passiert irgendwas Verrücktes und sollte es mal nicht so sein, kann man sich im Folgejahr drauf verlassen.»

Vettel, der Retro-Fan kennt sie natürlich, die legendären Geschichten und Rennen auf dem nur gut vier Kilometer langen Kurs auf 800 Metern Höhe – gefahren gegen den Uhrzeigersinn. Vor allem kennt er auch den den dramatischen Sieg von Ayrton Senna 1991, es war der erste Erfolg der drei Jahre später verunglückten brasilianischen Rennikone vor dem motorsportbegeisterten Paulista.

Am Ende war Senna zu erschöpft, selbst die Siegertrophäe hochzustemmen, er musste die letzten Runden im sechsten Gang fahren – ein Kraftakt zum ersehnten und auch prestigeträchtigen Heimsieg.

Um Prestige geht es auch jetzt vor allem. Und es geht um den Schwung für die nächste Saison, wenn Vettel in seinem vorerst letzten Vertragsjahr die – Stand jetzt – letzte Chance bleibt, seinen ersten Titel mit Ferrari zu holen und seine Sammlung auf fünf zu erhöhen.

Zum Vorzeichen könnte die Leistung in Brasilien werden. Bis zum Rennen in Austin wunderte sich die Konkurrenz über den sagenhaften Motor der Italiener, der das bis dahin dominierende Mercedes-Triebwerk in Sachen Power überholt hatte. Nach einer Direktive der Regelhüter zum Benzinfluss war die messbare Überlegenheit auf den Geraden auf einmal dahin. Die Konkurrenz wunderte sich wieder und Red-Bull-Pilot Max Verstappen erhob prompt Schummelvorwürfe.

In São Paulo kann sich Ferrari nun beweisen, erst recht mit dem neuen Motor von Leclerc, der wieder die gewohnte Power haben soll. Insbesondere die Bergaufgerade Richtung Ziellinie erfordert maximale Leistung. Das Ergebnis von Austin, wo Hamilton seinen sechsten WM-Titel perfekt gemacht hatte, wolle man nun hinter sich lassen und nach vorne schauen, ordnete Ferraris Teamchef Mattia Binotto an: «Nach Brasilien und einem Neustart.»

Das alles wissen sie bei Mercedes natürlich bestens. Die Silberpfeile werden erstmals seit 2013 ohne ihren Teamchef auskommen müssen – Toto Wolff nimmt sich die Zeit, sich in Europa anderen Themen zu widmen.

Beunruhigt ist deswegen weder er, noch sonst jemand in dem Team, das mit sechs Fahrer- und Konstrukteurstiteln in Serie eine Bestmarke aufgestellt hat. Auf einen Kater nach den Titelpartys braucht die Konkurrenz auch nicht zu hoffen. Hamilton, der zwischendurch auch noch kurz in Berlin vorbeischaute und von der Männer-Modezeitschrift GQ zum «Man of the Year» gekürt wurde, steht auch auf Schaulaufen.


(dpa)

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