Reindl vor WM: «An Medaillen zu denken, wäre vermessen»

Köln (dpa) – Nach sieben Jahren beginnt am 5. Mai wieder eine Eishockey-WM in Deutschland. Gemeinsam mit Paris richtet Köln die 81. Weltmeisterschaft aus.

Franz Reindl, Präsident des Deutschen Eishockey-Bunds (DEB) und des deutschen Organisations-Komitees macht sich im Interview der Deutschen Presse-Agentur keine Sorgen um die Sicherheit. Der 62-Jährige spricht vom Viertelfinale als Ziel für das DEB-Team und ist zuversichtlich, den Vertrag mit Bundestrainer Marco Sturm verlängern zu können.

Vor sieben Jahren startete die WM mit dem Weltrekordspiel vor fast 78 000 Zuschauern auf Schalke und dem Sieg gegen die USA. Daraus entwickelte sich eine Euphorie, die die Mannschaft durch das ganze Turnier getragen hat. Was soll diesmal den Schub geben?

Franz Reindl: Das Spiel damals auf Schalke haben wir als einmalig angeboten. Daran sollte man sich dann auch halten. Wir haben jetzt zufällig wieder das Eröffnungsspiel gegen die USA. Auch die Arena in Köln ist restlos voll. Es liegt am Sport, da nachzuziehen.

Ist ein Überraschungserfolg gegen die USA wieder möglich?

Reindl: Das ist Wahrsagerei. Die USA hat wieder eine tolle Mannschaft. Wir sind Außenseiter. Das ist ja ganz klar. Aber unsere Mannschaft hat riesiges Potenzial und ist komplett heiß auf die WM.

Zuletzt gab es den Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund. Wird die WM-Vorfreude da nicht auch getrübt?

Reindl: Überhaupt nicht. Wenn man von diesen Dingen ausgehen würde, könnte man ja gar nicht mehr arbeiten. Wir können nur in enger Abstimmung mit den Behörden in Deutschland und Frankreich daran arbeiten, dass wir solche Dinge vermeiden. Wir dürfen uns davon nicht beeinflussen lassen.

Ist Ihnen vor der WM manchmal mulmig zumute?

Reindl: Nein. Wenn ich Angst hätte, dann müsste ein anderer den Job machen.

Der DEB musste in der Vergangenheit regelmäßig eine WM austragen, um sich mit dem Erlös über die nächsten Jahre zu retten. Nach ihrer Amtsübernahme 2014 hat es finanzielle Reformen gegeben. Ist der DEB immer noch auf einen WM-Gewinn angewiesen?

Reindl: Wir sind wirtschaftlich konsolidiert, der Verband steht gefestigt da. Wir haben die letzten Jahre ein Plus erwirtschaftet und können einen möglichen Gewinn bei der WM in die Zukunft, in unser langfristig angelegtes Sportentwicklungskonzept Powerplay 26 investieren. Das war praktisch noch nie der Fall.

Auch sportlich ging es zuletzt bergauf. Bis 2026 wollen sie international um Medaillen mitspielen. Ist eine Medaille in diesem Jahr vor eigenem Publikum schon möglich?

Reindl: Wir haben ja ein langfristiges Ziel, eine Vision. Daran richten wir uns aus. Wir sind mit Volldampf dabei, diesen Weg auch umzusetzen. Aber ein langfristiges Konzept braucht auch kurzfristige Erfolge. Da kommt Marco Sturm ins Spiel. Zwei Meilensteine hat er ja schon erreicht mit einer sehr guten WM 2016 und der Rückkehr zu Olympia 2018. Wenn wir wieder eine gute WM spielen oder gar ins Viertelfinale kommen könnten, wäre unser Weg bestätigt.

Noch einmal: Kann Deutschland um die Medaillen mitspielen?

Reindl: Als DEB-Präsident bin ich voller Hoffnung und immer positiv. An Medaillen zu denken, wäre vermessen. Wir haben sieben schwere Spiele vor der Brust und müssen es irgendwie schaffen unter die ersten Vier zu kommen, um das Viertelfinale zu erreichen. Das Potenzial ist da. Das Team ist heiß! Wir sind mit einigen Gegnern absolut auf Augenhöhe.

Sie spielen in der Vorrunde zuerst gegen drei Top-Nationen, es drohen Niederlagen. Das ist gefährlich für die Stimmung, oder?

Reindl: Das ist gefährlich, aber wir können den Spielplan nicht beeinflussen. Realistisch gesehen könnten wir nach drei Spielen noch ohne Punkt dastehen. Dann dürfen wir aber nicht nervös werden. Die ganze Eishockey-Republik nicht. Dann müssen wir zum Team stehen. Wir können dann auch immer noch das Viertelfinale erreichen.

Die Entscheidung für Marco Sturm als Bundestrainer 2015 kam überraschend angesichts seiner mangelnden Trainer-Erfahrung. Das Risiko war schon groß, oder?

Reindl: Ein Risiko besteht immer. Das war aber auch für Marco Sturm ein Risiko. Ich bin einfach froh, wie er sich entwickelt. Er hat da richtig für Erfrischung gesorgt. Die Konkurrenz ist viel breiter geworden. Die Spieler und er haben sich wahnsinnig entwickelt.

Es gibt kaum noch Absagen, die NHL-Profis wollen alle wieder fürs Nationalteam spielen. Das führt zu Härtefällen, wie jetzt beim WM-Aus für Dennis Endras. Gibt es plötzlich ein Luxus-Problem?

Reindl: Grundsätzlich ist diese Entwicklung ja sehr erfreulich. Es ist immer ein schwieriges Puzzle mit harten, auch menschlich schwierigen Entscheidungen. Es geht nicht nur um die besten Spieler, sondern auch die Rollen, die diese einnehmen sollen. Die Mannschaft, die am 5. Mai gegen die USA an den Start geht, die muss passen. Da ist ein feines Gespür gefragt. Und Marco hat das.

Es gibt kaum Ausfälle, allerdings ist Kapitän Marcel Goc verletzt. Wie schwer wiegt das?

Reindl: Das ist schon ein herber Ausfall. Marcel ist ein Leader, der uns auch 2010 schon geführt hat. Er fehlt definitiv.

Nach der nächsten NHL-Playoffrunde werden noch einmal zwei deutsche Spieler frei. Rechnen Sie damit, dass noch Kaderplätze für diese Spieler frei gehalten werden?

Reindl: Marco weiß genau, was er tut. Er wird mit den Möglichkeiten spielen, die er hat. So etwas muss von Tag zu Tag entschieden werden. Er hat ja jetzt schon einen Riesen-Kader.

Der Vertrag mit Marco Sturm läuft noch ein Jahr. Gab es schon Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit?

Reindl: Das ist jetzt überhaupt noch kein Thema. Jetzt haben wir erstmal die Heim-WM und danach werden wir reden. Ob das dann Sommer oder Herbst ist, spielt keine Rolle.

Was haben Sie für ein Gefühl dabei?

Reindl: Ich habe ein gutes Gefühl. Er zieht unseren Weg voll mit und da gibt es ja die nächsten Jahre auch noch einiges zu tun im deutschen Eishockey.

ZUR PERSON: Der frühere Nationalspieler Franz Reindl (62) ist seit Beginn der 1990er Jahre Funktionär beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB). Reindl war unter anderem Interimscoach und Co-Trainer des Nationalteams, Sportdirektor, Generalsekretär und ist seit 2014 nun DEB-Präsident. Zudem ist Reindl auch Präsident des Organisationskomitees für die WM in Köln. Für den Weltverband IIHF sitzt er im Exekutivkomitee. Als Spieler hat er 1976 mit Deutschland sensationell Olympia-Bronze gewonnen.

(dpa)