Sogar mit Chip unter der Haut? – «E-Doping» im Schach

Berlin – Blitzanalysen via Handy, geheime Zeichen, verbotene Spickzettel, verkabelte Spieler – auch am Schachbrett wird getrickst und betrogen. Mit illegalen Methoden verschaffen sich geistreiche Gauner immer wieder Vorteile, und für die erschummelten Siege kassieren sie oft satte Prämien.

«Wir erwischen immer wieder Betrüger, meistens auf den mittleren Turnieren. Es geht vor allem um den Betrug mit elektronischen Hilfsmitteln. Das ist praktisch wie Doping im Sport und muss bekämpft werden!», sagte Klaus Deventer, Vizepräsident im Deutschen Schachbund, der Deutschen Presse-Agentur.

Der sehr erfahrene internationale Schiedsrichter ist derzeit bei der Schach-Olympiade im georgischen Batumi im Einsatz – sozusagen als Chef-Polizist für die Überwachung der mehr als 1000 Spieler aus fast 200 Ländern. Offiziell leitet Deventer das 18-köpfige Team der Anti-Betrugs-Einheit. «Irgendwann hat der Weltverband dieses Problem erkannt. Anfangs gab es einen Riesen-Aufschrei. Aber mittlerweile begrüßen das die Schachspieler und sagen uns: Gut, dass ihr euch darum kümmert», betonte Deventer.

Der 60-Jährige war im März auch schon Hauptschiedsrichter beim Berliner WM-Kandidatenturnier, das Fabiano Caruana gewann. Im November fordert der Amerikaner nun Weltmeister Magnus Carlsen (Norwegen) heraus. «Auch Carlsen haben wir schon kontrolliert, bei der Schacholympiade 2016 in Baku. Da musste er sein Jackett ausziehen», erzählte Deventer.

Auch in Batumi wird jeder Spieler schon am Eingang kontrolliert, Metalldetektoren sollen vor allem Handys aufspüren. Sogar Armbanduhren sind verboten. «Spieler wurden auch schon verkabelt, einer hatte eine Mikrowanze im Ohr. Die Mikroelektronik bietet da so ihre Möglichkeiten», berichtete der Schachexperte. Betrüger dürften auch künftig sehr einfallsreich sein. «Im schlimmsten Fall», meinte Deventer, «pflanzen sie sich einen Chip unter die Haut.»

Die Anti-Betrugs-Richtlinien der FIDE von 2014 umfassen immerhin 22 DIN-A4-Seiten. In Batumi gibt es nicht nur Eingangskontrollen. Während jeder Runde werden noch 20 bis 30 Spieler nach dem Zufallsprinzip überprüft – allerdings nur fünf bis zehn Sekunden und nicht in Druckphasen. Auch nach jeder Runde finden diese «random checks» statt. «Das Regelwerk erlaubt es uns, den Schachspieler auch am Körper zu untersuchen», erklärt Deventer, «aber dass sich jemand bis auf die Unterhose ausziehen muss, das wäre der höchst seltene Extremfall.»

Für einen der größten internationalen Betrugsskandale sorgte 2010 der französische Großmeister Sebastien Feller. Bei der Schacholympiade in Chanty-Mansijsk/Russland schummelte er mit zwei Helfern: Der eine analysierte die Partien am heimischen PC und gab die Vorschläge per SMS weiter; ein Trainer übermittelte sie vor Ort in geheimer Zeichensprache an Feller.

So ergaunerte sich der Franzose sogar die Goldmedaille und eine satte Prämie. Nach einem juristischem Hickhack wurde der Nationalspieler schließlich gesperrt. «Wenn heute ein Top-Spieler so betrügen würde», sagte Deventer, «der wäre für alle Zeiten verbrannt.»


(dpa)

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