The Power als Zuschauer: Demütigung für Rekord-Champion

London – Die ultimative Demütigung erlebte Darts-Legende Phil Taylor, als sein Viertelfinal-Aus bei der WM schon besiegelt war.

Sieger Raymond van Barneveld hielt ihm nach seinem 5:3-Erfolg genüsslich das Dart-Board hin, ließ den unterlegenen Taylor auf der Rückseite unterschreiben, um die Scheibe als Erinnerung mitzunehmen. «Ich hatte eigentlich nicht vor, das zu machen, aber warum eigentlich nicht», sagte van Barneveld dem TV-Sender Sport1. «Er macht das schließlich immer, jetzt kriegt er es mal zurück.»

Fair gratulierte Taylor, erfüllte dann mit gequälter Miene die Bitte und verschwand wortlos hinter den Kulissen des Alexandra Palace. Wenn van Barneveld am Neujahrstag im Halbfinale in London gegen den großen Favoriten Michael van Gerwen antritt, ist der als The Power weltbekannt gewordene Engländer Taylor nur noch Zuschauer.

Jahrelang dominierte die 56 Jahre alte Legende aus Stoke-on-Trent den Darts-Sport, ist mit insgesamt 16 Weltmeister-Titeln – davon 14 bei der PDC (Professional Darts Corporation)und zwei bei der BDO (British Darts Organisation) – der unangefochtene Rekord-Champion. Doch gegen van Barneveld wirkte Taylor oft unkonzentriert und weniger souverän als zu seinen Glanzzeiten. «Ich habe ein bisschen mehr Gegenwehr von Phil erwartet», kommentierte der Niederländer.

Unzählige Male haben sich Taylor und van Barneveld auf der großen Darts-Bühne duelliert, meistens gewann der Engländer. Jahrelang war Taylor fast unschlagbar, zwischen 1994 und 2010 stand er nur einmal nicht im WM-Finale, gewann 13 von 17 möglichen Titeln. «Wenn ich etwas anfange, dann will ich der Beste sein», sagte er einmal.

Umso mehr dürfte ihn der K.o. geschmerzt haben. Taylors schneller und wortloser Abgang heizte auch die Gerüchte über einen möglichen Rücktritt an. «Van Barneveld hat den 16-maligen Champion damit noch ein Stück näher an die Rente gebracht», kommentierte die Zeitung «The Sun». «Es war möglicherweise das letzte Mal, dass sich diese beiden Veteranen auf der größten Bühne miteinander gemessen haben.» Der britische TV-Sender SkySports sah sogar «zwei kriegsgeplagte Schwergewichte, die versuchen, an vergangenen Glanz anzuknüpfen.»

Bereits vor der WM hatte Taylor erklärt, in Zukunft weniger Turniere spielen zu wollen. «Ich will das jetzt alles genießen und es langsamer angehen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er freue sich auf ein normales Leben mit seinen Enkeln und Kindern – ein abruptes Ende seiner Karriere komme für ihn aber nicht infrage. Und auch Rivale van Barneveld rechnet nicht mit einem schnellen Abgang Taylors: «Ich weiß zwar nicht, was dieses Resultat über Nacht mit ihm macht, aber ich glaube nicht.»


(dpa)

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