Verletzungen, Ausfälle, Formkrisen – BDR-Team mit Sorgen

Harrogate – Ein angeschlagener Rekordweltmeister Tony Martin, ein schwächelnder Klassikerspezialist John Degenkolb und ein verhinderter Hoffnungsträger Maximilian Schachmann: Wenn am Sonntag die Straßenrad-WM in Yorkshire beginnt, startet die deutsche Mannschaft mit bescheidenen Aussichten.

Immerhin gab «Mister Zuverlässig» Tony Martin Entwarnung. «Die Verletzungen sind nicht so schwerwiegend, dass mein WM-Start gefährdet wäre», sagte der viermalige Zeitfahr-Champion, auch wenn die Bilder Schlimmeres befürchten ließen.

Das Gesicht zugepflastert und den Arm dick bandagiert tritt Martin derzeit in die Pedale – alles mit dem Ziel, bei seiner 16. WM-Teilnahme noch einmal auf das Podest zu fahren. Patrick Moster, Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), hofft vorsichtig auf eine Top-8-Platzierung: «Man soll nie nie sagen. Um den WM-Titel konkret mitzufahren, würde ich aber nicht als oberste Priorität sehen. Man kann ihn sicherlich zum erweiterten Favoritenkreis zählen, aber er ist nicht derjenige, der als Erster genannt werden muss», sagte Moster der Deutschen Presse-Agentur. Insbesondere Vuelta-Champion Primoz Roglic hat sich mit seinen starken Auftritten in Spanien in die Favoritenrolle auf den Zeitfahr-Titel katapultiert.

Noch weitaus unwahrscheinlicher ist eine deutsche Medaille im Straßenrennen der Männer. Vom ersten Titel seit Rudi Altig 1966 wagt die deutsche Mannschaft erst gar nicht zu träumen. Nach dem Ausfall von Schachmann, der sich nach den Handbrüchen bei der Tour de France zuletzt auch noch eine Grippe eingefangen hatte, verzichtet der BDR auf eine fixe Kapitänsrolle – in der Hoffnung, dass es ein Fahrer in die entscheidende Gruppe schafft.

Sprintstar Pascal Ackermann bringt mit der Referenz von zehn Saisonsiegen noch die beste Form mit, doch der wellige Kurs in England könnte zu schwer für ihn sein. Der Parcours wäre eher eine Sache für Degenkolb, doch dessen letzter Sieg liegt schon über sieben Monate zurück.

Auch bei der Vuelta trat der frühere Paris-Roubaix-Champion nicht groß in Erscheinung. So will Degenkolb auch keine Ansprüche stellen. «Dafür fehlen mir die Ergebnisse», sagte der Thüringer, der nach drei durchwachsenen Jahren beim Team Trek-Segafredo im nächsten Jahr in der belgischen Mannschaft Lotto-Soudal wieder durchstarten will.

Dass der deutsche Tour-Held Emanuel Buchmann nicht dabei ist, war indes zu erwarten. Die Rundfahrt-Spezialisten dürften in England eher chancenlos sein, entsprechend verzichten auch Tour-Champion Egan Bernal, Giro-Sieger Richard Carapaz und Italiens Altstar Vincenzo Nibali auf eine Teilnahme.

Die besten Aussichten auf deutsches Edelmetall gibt es noch zum Auftakt, wenn das neu ins Programm aufgenommene Mixed-Teamzeitfahren ansteht. «Ein interessanter Wettbewerb», meint Moster. Je drei Männer und drei Frauen absolvieren nacheinander ein Mannschaftszeitfahren, die Generalprobe bei der EM brachte dem BDR immerhin Bronze ein. Und nun kommen noch Martin und Nils Politt als Verstärkung hinzu. Martin trauert zwar dem alten Teamzeitfahren der Profi-Rennställe nach, kündigte aber gleich seine Hilfe an. «Ich werde auch in diesem Rennen mein Bestes geben.»

Ihr Bestes müssen auch die deutschen Frauen geben, wollen sie gegen die übermächtigen Niederländerinnen überhaupt eine kleine Chance haben. Moster bleibt mit Blick auf die Oranje-Übermacht realistisch: «Da kann momentan nicht nur Deutschland, sondern keine andere Nation dagegen halten.»


(dpa)

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