Wanderarbeiter und Weltbürger: Schwedens Stürmer Guidetti

Gelendschik – Es gibt da dieses eine ganz bestimmte Bild von John Guidetti aus Kindertagen. Man sieht den dürren Jungen mit der hellen Haut und dem blonden Haar mit verschränkten Armen, wie er inmitten von afrikanischen Mitspielern für ein Mannschaftsbild Aufstellung genommen hat.

Das Foto stammt aus einer Zeit in Nairobi, als Guidetti von einem Platz in Schwedens Nationalmannschaft wohl noch nicht einmal zu träumen wagte. Ein kleiner Weltbürger war er damals indes schon. Guidetti wurde in Stockholm geboren. Sein Mutter ist Schwedin, sein Vater hat italienische und brasilianische Wurzeln. Da seine Familie in Kenia in einem Schulprojekt arbeitete, wuchs der junge Guidetti auch in Afrika auf. Seine Freizeit vertrieb er sich mit Fußball, jagte in den Slums von Kibera und Mathare dem Ball hinterher.

«In Afrika spielst du manchmal mit Schuhen, manchmal auch barfuß, mal auf Rasen, dann auf Asche, manchmal ist der Ball rund, manchmal aber auch nicht», erzählte Guidetti einmal. Afrika, Kenia, Nairobi – das ist für den heutigen Nationalstürmer ein ganz besonderer Ort. «Wenn ich meine Karriere einmal beende, will ich in Kenia leben. Es ist mein liebster Ort auf Erden», sagte der 26-Jährige.

Guidetti hat auch eine eigene Stiftung gegründet, die Talente fördern will. «Mit dem Fußball kann nicht jeder Erfolg haben. Wir sind dann genauso glücklich, wenn einer von ihnen Automechaniker wird oder in einem Krankenhaus arbeitet», sagte er.

Guidettis Fußballkarriere stand schon einmal auf der Kippe. Nach Stationen in Schweden, England und den Niederlanden war der Stürmer nah dran an einer Nominierung für die EM 2012. Kurioserweise sorgte ein vermutlich verunreinigtes Stück Geflügel dafür, dass sich Guidetti einen Virus einhandelte, der auch das Nervensystem angriff.

Zeitweise war sein rechtes Bein taub, zwei Jahre seiner Karriere kostete ihn diese Episode. «Das war ein sehr langwieriger Prozess, der stark an den Nerven zehrte», sagte Guidetti, U21-Europameister 2015, einmal dem Fußball-Weltverband FIFA.

Man verglich ihn wegen seiner Statur schon mit Wayne Rooney, sah in ihm wegen seines selbstbewussten Auftretens gar einen zweiten Zlatan Ibrahimovic. Das Niveau dieser beiden Ausnahmestürmer hat Guidetti nie erreicht. Das mag auch an der Viruserkrankung liegen. Über England und Schottland landete er in Spanien. Erst bei Celta Vigo, in der vergangenen Saison war er an Deportivo Alavés ausgeliehen.

Für einen WM-Platz hat es dennoch gereicht. Die Dichte an starken Stürmern ist bei den Schweden eben nicht sehr hoch. Der frühere Hamburger Marcus Berg, Ola Toivonen und Isaac Kiese Thelin schüchtern international erfahrene Verteidiger nicht wirklich ein. Für Guidetti reichte es bisher nur zu einem Kurzeinsatz gegen Deutschland.

Nationaltrainer Janne Andersson hätte es dennoch geschmerzt, wenn der Stürmer für die Endrunde ausgefallen wäre. Nach einem Zweikampf mit Kapitän Andreas Granqvist ging der Angreifer in der Vorbereitung zu Boden. «Es ist nicht unbedingt negativ, wenn das Training hart ist», sagte Andersson. «Wenn die Intensität hoch ist, passieren solche Dinge schon mal.» Mit vollem Einsatz wollen die Schweden auch gegen die Schweiz am Dienstag ins WM-Viertelfinale antreten.


(dpa)

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