WM-Abschied von Saudi-Arabien und Ägypten

Wolgograd – Vor dem WM-Duell um die Ehre zwischen dem reichen Saudi-Arabien und dem armen Ägypten kursierte in den vergangenen Tagen in Kairo ein Scherz.

So solle der siebenmalige Gewinner des Afrikapokals um Stürmerstar Mohamed Salah das letzte Kräftemessen am Montag (16.00 Uhr MESZ) lieber freiwillig verlieren – sonst drehe das Königreich noch seinen Geldhahn für Ägypten zu.

Chancen auf das Weiterkommen haben beide Mannschaften nicht mehr. Saudi-Arabien und Ägypten kämpfen vor ihrer Abschiedsvorstellung in Russland vielmehr mit sportlichen Verfallserscheinungen.

Die «Pharaonen» sahen sich mit teils wilden Spekulationen konfrontiert: Streit in der Mannschaft, sogar eine vorzeitige Abreise von der WM soll im Raum gestanden haben. Der von seiner Schulterverletzung gebremste Salah musste sich sogar öffentlich zu Wort melden. «Es gibt keine Unstimmigkeiten bei uns», erklärte der Stürmer des FC Liverpool, der bei Ägyptens erster Endrunde seit 28 Jahren zu einer der prägenden Figuren aufsteigen wollte.

Die Halbwertszeit von Héctor Cúper als Nationaltrainer dürfte ohnehin ablaufen. «Wenn die Verantwortlichen nicht glücklich mit dem sind, was ich gemacht habe, bin ich der Erste, der geht. Daran gibt es keinen Zweifel», sagte der Argentinier unbeeindruckt.

Ganz so mies ist die Stimmung bei Saudi-Arabien nicht. Hatte der Fußballverband des Landes nach dem 0:5 gegen Russland noch angekündigt, seine Spieler zur Rechenschaft zu ziehen, erkannte Trainer Juan Antonio Pizzi beim 0:1 gegen Uruguay sogar eine klare Steigerung. «Wir repräsentieren unser Land und werden Saudi-Arabien noch glücklich machen», versicherte der Spanier.

Saudi-Arabien und Ägypten eint fußballerisch eine deprimierende WM – abseits des Rasens ist aber noch viel mehr. Saudi-Arabien, erstmals wieder seit 2006 bei einer WM, und Ägypten verbindet eine enge, aber gespaltene Beziehung. Seit Jahrzehnten zieht es Ägypter in das Königreich auf der anderen Seite des Roten Meeres, um dort Geld zu verdienen, das ihre Familien zu Hause dringend benötigen.

So wandert nicht nur ein Teil des Ölreichtums an den Nil, sondern auch das Gedankengut des saudischen Wahhabismus, einer extrem konservativen Lesart des Islam, aus der sich auch die Ideologie der IS-Terrormiliz speist. Nicht nur liberale Ägypter beobachten das mit Argusaugen.

Doch Ägypten ist auf Saudi-Arabien angewiesen, weil es dringend Milliardenhilfen aus dem Ausland braucht, um die schwächelnde Wirtschaft zu stützen. Politisch zeigt sich die Regierung in Kairo deswegen als enger Partner des Königreichs. So gehört Ägypten zu den Ländern, die unter Führung Riads das Golfemirat Katar, Gastgeber der nächsten Fußball-WM, blockieren. Die ägyptische Armee unterstützt auch den saudischen Militäreinsatz im Bürgerkrieg des Jemens.

Geradezu als Anbiederung an Saudi-Arabien empfanden viele Ägypter eine Entscheidung der Regierung, die in dem nordafrikanischen Land heftige Empörung auslöste: die Übergabe zweier ägyptischer Inseln im Roten Meer an das Königreich. Sogar der ansonsten unantastbare Präsident Abdel Fattah al-Sisi, Kopf einer autoritären Führung, geriet in die Kritik – hielt aber an der Entscheidung fest.

Sportlich mag das Spiel zwischen den beiden arabischen Staaten also bedeutungslos sein – doch viele Ägypter dürfte ein Sieg über Saudi-Arabien mit Genugtuung erfüllen.


(dpa)

(dpa)