München/Zürich – Dem Eishockey-Weltverband droht ein Problem, ein großes Problem. Deshalb hat sich IIHF-Präsident René Fasel gegen die drohende Kollektivbestrafung russischer Sportler und deren Olympia-Ausschluss ausgesprochen.
«Das würde viele russische Athleten bestrafen, die nichts mit Doping zu tun hatten», sagte Fasel vor der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees. Der Schweizer war selbst acht Jahre IOC-Exekutivmitglied.
Das IOC will Konsequenzen aus dem russischen Dopingskandal ziehen. Es droht der Komplett-Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen in Pyeongchang (9. bis 25. Februar). «Das lehnen wir ab», sagte auch Franz Reindl, Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) und IIHF-Exekutivmitglied, der Deutschen Presse-Agentur. «Doping muss bekämpft werden. Aber es dürfen nur überführte Sportler und Funktionäre bestraft werden, die Manipulationen ermöglicht haben.»
Sollte das IOC hart durchgreifen, wäre in der Sbornaja nicht nur ein Zugpferd des olympischen Eishockey-Turniers nicht dabei. Viel schlimmer wäre der mögliche Boykott der russisch geprägten KHL. Die osteuropäische Liga gilt nach der nordamerikanischen Profiliga NHL als die zweitbeste der Welt. «Ich gehe davon aus, dass die KHL ihrer Abstellungspflicht nachkommen wird», sagte Reindl zwar, doch Fasel ist da anderer Meinung: «Wenn Russland nicht dabei ist, wird die KHL keine Freigaben erteilen.» Das hatte die Liga angedroht.
Damit droht in Südkorea ein Eishockey-Turnier auf überschaubarem Niveau. Die NHL hatte eine Olympia-Pause für Pyeongchang erstmals seit 1998 bereits abgelehnt. Sidney Crosby, Alexander Owetschkin, Leon Draisaitl und Co. fehlen ohnehin, etliche Ausnahmeprofis könnten hinzu kommen. Denn in der KHL spielen auch Nordamerikaner, Skandinavier und Tschechen auf höchstem Niveau. Ohne NHL-Profis würden diese Nationen im Normalfall fast ihre kompletten Teams aus der KHL rekrutieren und müssten andernfalls kurzfristig auf die heimischen, schlechteren Ligen zurückgreifen. Kanada und die USA dürfen zudem auch keine Profis mit NHL-Verträgen aus der unterklassigen AHL mitnehmen, die in den Farmteams beschäftigt sind.
Dies würde indes die Chancen des deutschen Männerteams erheblich steigern, wenn die Top-Nationen nicht ihre besten Spieler aufbieten könnten. «Seit 1998 ging es aus deutscher Sicht in erster Linie darum, am Olympischen Turnier teilnehmen zu dürfen. Ich denke, man kann sich jetzt erlauben, nach einer Platzierung zu schauen», sagte der frühere Bundestrainer Uwe Krupp bereits im Hinblick auf den NHL-Verzicht, weshalb auch Deutschland zwar etliche, aber eben deutlich weniger Leistungsträger als die Top-Nationen ersetzen muss.
In der KHL ist dagegen kein deutscher Nationalspieler engagiert. Von einem Boykott der osteuropäischen Liga würde das DEB-Team also sportlich extrem profitieren. Derlei Gedanken sind bei den Sportlern aber verpönt. «Grundsätzlich erhoffe ich mir das gar nicht», sagte etwa Nationalverteidiger Marcel Müller von den Kölner Haien. «Ich fände es schade, wenn Ligen Spielern untersagen, an so einem Turnier teilzunehmen, weil es doch der Wunsch eines jeden Athleten ist. Deswegen würde ich mich freuen, wenn die Jungs spielen können.»
Auch das eigentlich nicht qualifizierte deutsche Frauenteam könnte noch profitieren. Sollten die Russinnen nicht starten dürfen, könnten die DEB-Frauen nachrücken. Das gilt selbst für den Fall, dass das IOC nur überführte Doper ausschließt. Rund um Olympia 2014 in Sotschi gab es im russischen Frauenteam positive Fälle. Deshalb läuft derzeit eine Anhörung bei der IIHF. Unabhängig vom IOC-Entscheid könnte auch der Weltverband einen Start des russischen Frauenteams noch verhindern. Ob es dann einen Nachrücker gäbe und wer das wäre, ist aber noch unklar. Bei den Männern würde Weißrussland nachrücken.
(dpa)