DFB-Chef Grindel tritt zurück – Koch und Rauball übernehmen

Frankfurt/Main – DFB-Präsident Reinhard Grindel ist nach einer Serie von Fehltritten zurückgetreten.

Der Verbandschef bestätigte seinen sofortigen Rückzug, nachdem er in den vergangenen Tagen durch Enthüllungen über fragwürdige Zusatzeinkünfte und die Annahme einer teuren Uhr unter Druck geraten war. Zuvor hatten «Bild»-Zeitung und ZDF über den Abschied des 57-Jährigen berichtet.

Die Nachfolge treten bis zum DFB-Bundestag am 27. September Ligapräsident Reinhard Rauball und DFB-Vize Rainer Koch als Vertreter der Amateure an. So war es schon über den Jahreswechsel 2015/16, als Wolfgang Niersbach im Zuge des Sommermärchen-Skandals gehen musste. Im April 2016 hatte dann Grindel den Posten übernommen. Seit 114 Jahren hat kein DFB-Boss kürzer amtiert als Grindel. Bis September soll nun ein Kandidat für die Nachfolge gefunden werden, auf den sich Proficlubs und Amateurlager einigen können.

Die DFB-Interimsspitze schnell mit der Suche nach einem Nachfolger beginnen. «Unser Ziel ist es jetzt, einen gemeinsamen Kandidaten von DFB und DFL außerhalb des Präsidiums zu finden, der die Anliegen des Amateurfußballs ebenso im Blick hat wie den Spitzenfußball», sagte Koch in einer Erklärung.

Rauball sieht durch den Rückzug Grindels nach knapp drei Jahren im Amt den Weg «für einen personellen, aber auch strukturellen Neuanfang innerhalb des DFB» frei.

Der frühere ZDF-Journalist und CDU-Bundestagsabgeordnete Grindel war in den vergangenen Monaten zunehmend in die Kritik geraten. Zunächst hatte der «Spiegel» Anschuldigungen veröffentlicht, Grindel habe Vergütungen in Höhe von 78.000 Euro als Aufsichtsratschef der DFB-Medien Verwaltungs-Gesellschaft in den Jahren 2016 und 2017 nicht publik gemacht.

Der DFB wies den Vorwurf der Verschleierung zurück. Grindel habe bei seinem Amtsantritt korrekte Auskünfte über seine Einkünfte gemacht und den gut dotierten Aufsichtsratsposten erst drei Monate später angetreten. Grindel selbst äußerte sich dazu nicht. Die Vorwürfe kratzten an seinem Versprechen, beim Verband nach der Affäre um die Vergabe der WM 2006 für Transparenz zu sorgen.

Es folgte zu Wochenbeginn ein «Bild»-Bericht, dass Grindel eine Luxus-Uhr vom früheren ukrainischen Verbandsboss Grigori Surkis angenommen habe. Grindel bestätigte dies in seiner Rücktrittserklärung und bezifferte den Wert der Uhr auf 6000 Euro. «Für mich war das ein reines Privatgeschenk. Es war ein Gebot der Höflichkeit, dieses Geschenk anzunehmen», sagte Grindel. Es habe aus seiner Sicht kein Interessenkonflikt bestanden.

Wegen der neuerlichen Negativ-Schlagzeilen hatte Grindel in den vergangenen Tagen offenkundig den Rückhalt in der Verbandsspitze endgültig verloren. Bei der Eröffnung der neuen Ruhmeshalle im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund am Vorabend wirkte Grindel bereits isoliert und schwer angeschlagen. Öffentlich Partei ergreifen mochte niemand mehr für den früheren DFB-Schatzmeister.

Stattdessen formierten sich die Kritiker. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sagte: «Wenn man in solch einer Position ist und solche Dinge ans Licht kommen, sollte man zumindest Argumente haben, um sie so schnell wie möglich beiseite zu räumen. Beim DFB wird aber schon einmal gerne zu lange rumgeeiert.»

Auch Andreas Rettig, Geschäftsführer beim Zweitligisten FC St. Pauli, ging verbal auf Distanz: «Einen Platz in der Hall of Fame würde Grindel heute sicher nicht bekommen. Das Erscheinungsbild des DFB ist schon seit längerer Zeit verbesserungswürdig.»

In der Tat häuften sich Grindels Missgeschicke zuletzt. In der heiklen Causa um die Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem umstrittenen türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ließ er es an klarer Linie vermissen. Grindel musste sich vorwerfen lassen, er habe sich nicht entschieden gegen rassistische Attacken gestellt und Özil zum Schuldigen für das WM-Scheitern der Nationalmannschaft gemacht.

Zuvor hatte es bereits Kritik wegen einer übereilten Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw gegeben. Unglücklich wirkte Grindel auch, als er den Umgang von Löw mit der abrupten Ausmusterung der Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng monierte – und dann schnell zurückrudern musste. Jetzt ist Grindel selbst beim DFB Geschichte.

Seine Posten bei UEFA und FIFA behält Grindel allerdings. Der 57-Jährige werde die Ämter im Exekutivkomitee des europäischen Dachverbands und im Council des Weltverbands «in enger Abstimmung mit dem DFB» fortführen, teilte der DFB mit.

Die beiden Ämter im internationalen Fußball werden mit rund einer halben Million Euro pro Jahr entlohnt. Sie sind an die Person gebunden, nicht an das Amt beim DFB. Bei der UEFA ist Grindel bis 2021 gewählt. Ins Council des Weltverbandes wurde er gerade im Februar für vier weitere Jahre wiedergewählt. Offizieller Beginn des neuen Mandats bis 2023 ist allerdings erst beim FIFA-Kongress am 5. Juni in Paris.

Mit dieser geteilten Lösung zwischen den Ämtern beim DFB und bei den internationalen Verbänden gab es in der Vergangenheit eher schlechte Erfahrungen. Auch die Grindel-Vorgänger Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger waren noch lange in internationalen Funktionen, obwohl sie beim DFB schon keinen Posten mehr hatten. Grindel selbst hatte stets betont, dass er als DFB-Chef auch in den internationalen Gremien sitzen müsse, um Reibungsverluste zu vermeiden.


(dpa)

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