Baseballspiele in Taiwan – Vorbild für deutsche Kicker?

Taipeh – Taiwans Baseballer erzielen weltweit ungeahnte Zuschauerrekorde. Millionen haben ihre Spiele jetzt schon gesehen. Kein Wunder: Es ist die einzige professionelle Liga, die trotz der Coronavirus-Pandemie spielt.

Allerdings ohne Publikum auf den Tribünen, dafür aber live im Internet und im Fernsehen. Auf ein solches Modell mit Geisterspielen hofft auch die Deutsche Fußball Liga, wenn es am 6. Mai im Kanzleramt um die Zukunft der Kicker geht.

Seit drei Wochen läuft schon die Saison der vier Baseballteams des Inselstaates im Pazifik. Auf den leeren Rängen des Stadions der Rakuten Monkeys in Taoyuan sitzen einige Zuschauer – aus Pappe. Cheerleader geben sich kräftig Mühe, Stimmung zu machen. Auch Spieler und Mitarbeiter der Teams feuern die Mannschaft an. Aus Lautsprechern dröhnt Musik. Oben auf der Tribüne schlagen Roboter eines lokalen Herstellers die Fantrommeln.

«Die Spieler sind natürlich nicht begeistert über die Situation», sagt Tai Ssu-sung, Sprecher der Liga, der Deutschen Presse-Agentur in Taipeh. «Die Unterstützung durch die Fans sowie die Atmosphäre mit echtem Publikum ist wichtig für die Moral und Begeisterung. Deswegen war es schon eine große Umstellung.»

Vor dem Spiel bekommen die Baseballer die Temperatur gemessen. Zwischen den Spielen ist ihnen nicht erlaubt, auswärts in Restaurants zu essen oder den Zug zu nehmen. Regelmäßige medizinische Tests auf das Sars-CoV-2-Virus sind allerdings – anders als in Deutschland – nicht vorgesehen. Mitarbeiter im Stadion tragen Mundschutz. Reporter müssen sich einen Tag vorher anmelden, ein Gesundheitsformular einreichen. Für Interviews gilt eineinhalb Meter Abstand.

Wenn es im Stadion ruhig ist, zeigen sich beim Spiel aber unerwartet auch positive Nebeneffekte. «Jedes Geräusch, wie etwa wenn der Schläger den Ball trifft oder Bälle gefangen werden, ist klar hörbar», sagt Tai. «Normalerweise würden wir diese Geräusche nicht wahrnehmen.» Die Stille hilft der Konzentration der Spieler.

Mit den einzigen Live-Spielen findet die Liga weltweit großes Interesse. «Wir haben nicht mit soviel Aufmerksamkeit gerechnet, und die Publicity ist wirklich ein unverhoffter Vorteil», sagt Sprecher Tai. Die Spiele werden im Fernsehen, über den Twitterkanal «Eleven Sports Taiwan» oder Streamingplattformen übertragen – jetzt sogar auch auf Englisch kommentiert.

Die Freunde des Baseballs in Taiwan waren anfangs zwar frustriert, zeigen aber Verständnis. «Zumindest können wir die Spiele live verfolgen», sagt der Fan Tony Huang. «Solange die Epidemie ungewiss ist, schützen diese Methoden die Spieler und Fans», sagt der 40-Jährige, der die Liga nach eigenen Angaben schon seit zwei Jahrzehnten verfolgt. «Wenn sich ein Spieler infiziert, wird ja nicht nur er nicht mehr auf das Feld gehen können, sondern auch das ganze Stadion wird den Betrieb einstellen müssen.»

Das Beispiel der Baseballspiele ist aber nur bedingt auf Deutschland übertragbar. Taiwan hat das Virus sehr viel besser im Griff als die Bundesrepublik und andere Länder. Es gibt nicht einmal 500 Infektionen und bisher nur sechs Tote auf 23 Millionen Einwohner. Nach den ersten Berichten über den Ausbruch im nur 130 Kilometer entfernt gelegenen Festlandchina hatte Taiwan sehr früh Kontrollen am Flughafen eingeführt, dann die Grenzen für Ausländer dicht gemacht.

Die Behörden hatten die Lehren aus der Pandemie mit dem Sars-Virus 2003 gezogen, als es 73 Tote und Hunderte Infizierte allein in Taiwan gab. Jeder Fall wird genau verfolgt, Infektionsketten werden früh unterbrochen. Heimkehrende Taiwaner müssen 14 Tage in strikte Quarantäne. Mit Erfolg: Seit drei Wochen hat Taiwan keine lokal übertragene Infektion mehr verzeichnet.

Die Liga entschied vom 8. Mai an erstmals wieder eine kleine Zahl von Zuschauern zuzulassen – allerdings nur bis zu 200. Vorausgegangen war die Entscheidung der Regierung, die Beschränkungen für Versammlungen in Sport, Kunst und Kultur zu lockern – obwohl Abstandsregeln weiter in Kraft bleiben.

Präsidentin Tsai Ing-wen ist ein Fan des Baseballs, der durch den amerikanischen und japanische Einfluss auf der asiatischen Insel Fuß gefasst hatte. Sie begrüßte auf Twitter die «Freunde überall in der Welt» und dankte ihnen, «so spät aufzubleiben oder so früh aufzustehen, um mit uns dem Aufschlag in Taiwan zuzujubeln».

Der Repräsentant der USA in Taipeh, Brent Christensen, besuchte das Spiel der Rakuten Monkeys, die auch zwei amerikanische Werfer im Team haben. Christensen spielt in Taiwan praktisch die Rolle eines Botschafters, darf es aber auf Druck Chinas nicht sein, weil Peking die demokratische Insel als Teil der Volksrepublik ansieht und international isoliert.

Christensen hatte einen Auftritt als Gastkommentator und inspizierte mit Taoyuans Bürgermeister Cheng Wen-tsan die «Teammitglied Nr. 10» genannten Roboter mit ihren Trommeln. Zum Gelächter der Anwesenden fütterten beide die Maschinenmenschen mit den großen Augen symbolisch mit Schrauben vor laufenden Kameras. Er rühmte das «Taiwan-Modell» im Umgang mit dem Virus und dem Baseball.


(dpa)

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