Bayerns bittere Enttäuschung in Rostow

Rostow am Don – Im bitterkalten Rostow am Don hat der FC Bayern den bisherigen Tiefpunkt unter Trainer Carlo Ancelotti erlebt.

Nach einer überraschenden 2:3 (1:1)-Bauchlandung in der Champions League beim bisherigen Tabellenletzten FK Rostow muss der deutsche Fußball-Branchenprimus auf seiner Heimreise auf einen Sieg der PSV Eindhoven bei Atlético Madrid hoffen, um sich die Chance auf den Gruppensieg noch zu erhalten. «Als Trainer muss ich die Verantwortung übernehmen und die Mannschaft so schnell wie möglich wieder in die Spur bringen», kommentierte Ancelotti.

Erstmals in der kurzen Amtszeit des Italieners kassierten die Bayern drei Gegentore in einem Pflichtspiel. Sardar Azmoun (44. Minute), Dimitri Polos (49./Foulelfmeter) und Christian Noboa (67.) sorgten für den völlig unerwarteten Erfolg der Russen, die die schwierigen Bedingungen bei minus sechs Grad weitaus besser annahmen und obendrein die groben Abwehrschnitzer der Bayern um den indisponierten Weltmeister Jerome Boateng gnadenlos bestraften. Für die Münchner, die das Hinspiel im September noch mit 5:0 gewonnen hatten, trafen diesmal einzig Douglas Costa (35.) und Juan Bernat (52.).

Schon eine Dreiviertelstunde nach Abpfiff waren die Bayern wieder aus der Arena verschwunden, noch am Abend ging der Flieger in Richtung Heimat. Die Stimmung war unterkühlt. «Als FC Bayern muss man auch hier gewinnen, egal wie die Temperaturen sind oder wie der Platz ist», befand Kapitän Philipp Lahm und erkannte: «Wir sind aktuell ein bisschen sorglos, wir machen zu viele Fehler.» Boateng, der mit einer Muskelverletzung ausgewechselt werden musste und länger auszufallen droht, beklagte: «Wir sind auseinandergebrochen. Die Tore sind zu einfach, da müssen wir als Mannschaft besser verteidigen.»

Von Anfang an hatten die bereits fürs Achtelfinale qualifizierten Bayern Mühe bei Eiseskälte im betagten Olimp-2-Stadion. Gegen die emsig verteidigenden Russen, die gleich auf eine Fünferabwehrkette setzten, kamen Ancelottis Profis nur selten zu gefährlichen Abschlüssen. Den Bayern fehlte vorne die Präzision – was einerseits an Schlampigkeiten im Spielaufbau lag, andererseits aber auch an den äußeren Umständen. Der holprige Rasen machte es den spielstarken Münchnern schwer, ihr Kombinationsspiel wie gewohnt durchzuziehen.

Rostow begnügte sich vor 15 211 Zuschauern mit wenigen Offensivbemühungen – wenn, dann wurde es aber prompt richtig gefährlich. Schon nach neun Minuten waren die Bayern dem Rückstand nahe. Nach einem weiten Ball von Cesar Navas verschätzte sich Holger Badstuber in seinem ersten Champions-League-Spiel seit einem Jahr gehörig, obendrein begab sich Sven Ulreich als Vertreter von Nationalkeeper Manuel Neuer etwas übermotiviert aus seinem Tor. Aleksander Erochin war Nutznießer, köpfte aufs leere Tor. Doch der flinke Juan Bernat rettete noch gerade so vor der Linie.

Die Großchance wirkte als Wachrüttler für die Spieler von Ancelotti, der das Geschehen selbst mit einer roten Mütze von der Seitenlinie aus beobachtete. Er sah, wie sein Team sich zunächst schwer tat bei der Chancenerarbeitung; die beste hatte noch Badstuber nach einer Ecke des agilen Douglas Costa (22.). Der Brasilianer wirkte überhaupt als Aktivposten im Spiel des Rekordmeisters, trieb seine Teamkollegen immer wieder an – möglicherweise auch, weil er Spiele auf hartem Boden aus seiner Zeit in der Ukraine bei Schachtjor Donezk bestens kennt. Und obendrein sorgte er für die Führung.

Mit einem energischen Solo über die linke Seite brachte Renato Sanches in seinem bisher auffälligsten Bayern-Spiel den Ball in den Strafraum. Nach einer unzureichenden Abwehraktion kam Costa in Schussposition und donnerte den Ball aus dem Rückraum ins Tor.

Doch dem 1:0 folgte nicht wie so oft die totale Spielkontrolle des FCB – stattdessen brachten die Gäste ihren Konkurrenten durch einen groben Schnitzer wieder zurück ins Spiel. Unmittelbar vor der Pause leitete Costa mit einem verheerenden Fehlpass in der eigenen Hälfte das 1:1 ein. Polos sprintete dazwischen und bediente Azmoun, der den schwerfällig agierenden Boateng narrte und einnetzte.

Danach wurde es rasant. Zwei Minuten nach Wiederanpfiff verpasste Lahm in seinem 109. Champions-League-Spiel das erste Tor, nach Flanke von Franck Ribéry fand sein Kopfball nicht den Weg ins Tor. Die Bayern trafen nicht, die Gastgeber dagegen schon – und zwar wiederum zwei Minuten später per Elfmeter: In einem seiner schwächsten Partien für die Bayern traf Boateng Noboa im Strafraum am Schienbein. Polos nutzte aus elf Metern die Gelegenheit zum 2:1.

Die Antwort der Bayern folgte prompt. Über Renato Sanches und Ribéry landete der Ball nur drei Minuten nach dem zwischenzeitlichen Rückstand beim durchgestarteten Juan Bernat, der ihn kompromisslos aus kurzer Distanz ins Tor jagte. Und Rostow? Legte seinerseits sofort nach, diesmal per direktem Freistoß. Sehenswert zirkelte Noboa den Ball über die bayerische Mauer zum 3:2 ins Tor.


(dpa)

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