Chefsuche: DFB nach Grindel-Aus vor Weichenstellung

Frankfurt/Main – Für den Deutschen Fußball-Bund ist es eine unangenehme Zeitreise. Wie im November 2015 müssen die Vize-Chefs Reinhard Rauball und Rainer Koch den größten Sportfachverband als Interims-Doppelspitze aus der Krise führen.

Damals stand der DFB durch den Sommermärchen-Skandal und den Rücktritt von Wolfgang Niersbach vor einem riesigen Scherbenhaufen. Nach dem Scheitern von Reinhard Grindel als Verbandschef geht es für den DFB auch um grundsätzliche Fragen.

Wie läuft die Suche nach einem Nachfolger von DFB-Chef Reinhard Grindel?

Eine Präsident-Findungs-Kommission gibt es (noch) nicht. Aber das Profil scheint klar. Gesucht wird ein Fußball-Fachmann mit enormen diplomatischen Fähigkeiten, einer harten Hand und reichlich Funktionärserfahrung für die notwendigen Reformen. Der Kandidat muss zudem wie immer beim DFB den Amateuren und den Profis vermittelbar sein. Diese komplizierte Headhunter-Aufgabe müssen die Vize-Chefs Rauball und Koch nun lösen.

Viel Zeit haben sie nicht. Am 27. September ist der DFB-Bundestag terminiert und das Tagesgeschäft geht weiter. Die schwere Regionalliga-Reform muss endlich geschafft werden. Rauball muss zudem noch einen Nachfolger für sich als Ligapräsident bei der DFL finden. Und auch international ist die Doppelspitze gefordert, wenn am 5. Juni sich der deutsche Fußball beim Weltverbands-Kongress entscheiden muss, ob er sich für oder gegen FIFA-Chef Gianni Infantino positionieren will.

Wer sind die gehandelten Kandidaten?

Bislang konzentriert sich fast alles auf Kandidaten aus dem Fußball. Philipp Lahm wurde schon nach dem auch für Grindel desaströsen WM-Sommer gehandelt. Doch der Ehrenspielführer will offenbar nicht. Als Geschäftsmann hat er sicher höhere Einkünfte und führt ein selbstbestimmteres Leben, als es ihn an der Otto-Fleck-Schneise erwarten würde. Christoph Metzelder hat sich nach der Profi-Karriere wie auch Stuttgarts Sportvorstand Thomas Hitzlsperger viel Respekt erarbeitet.

Wie Lahm gehören beide zur Spielergeneration des Sommermärchens 2006 an. Aber sind sie auch schon erfahren genug? Matthias Sammer böte ganz viel Meinungsstärke. Möglicherweise wird der DFB wieder bei Rudi Völler vorstellig, der 2000 der geeignete Notnagel in der sportlich prekären Lage war und überraschend DFB-Teamchef wurde.

Welche Probleme muss der neue Chef lösen?

An Arbeit mangelt es wahrlich nicht. Nach den vielen Krisenjahren muss vor allem Ruhe einkehren in der Zentrale am Frankfurter Stadtwald. Fünf Präsidenten in 13 Jahren, das gab es vorher nie beim DFB. Vor allem der Dauerkonflikt zwischen Amateur- und Profinteressen muss endlich befriedet werden – gemeinsam mit dem noch nicht bekannten Ligapräsidenten. Entscheidend verbessert werden muss die Außendarstellung des Verbandes, da ging unheimlich viel durcheinander unter Grindel. Als große Projekte warten zudem der 150-Millionen-Euro-Neubau der Akademie und die Heim-EM 2024.

Was bedeutet der Wechsel an der DFB-Spitze für Bundestrainer Joachim Löw und die Nationalmannschaft?

Erstmal kann Löw in aller Ruhe die EM-Qualifikation weiter spielen. Bis der neue Mann im Amt ist, sollte das Ticket für 2020 fast schon gelöst sein. Wie es für den Bundestrainer dann weitergeht, hängt vom neuen DFB-Chef ab. Ein Vorwurf an Grindel war auch, dass er der Abkapselung der Nationalmannschaft unter Löw und DFB-Direktor Oliver Bierhoff nicht entgegenwirkte. Der Gipfel war die Vertragsverlängerung ohne Not vor der WM 2018. Es gibt den klaren Wunsch der Funktionäre, das «Raumschiff Nationalmannschaft» wieder näher an den Verband zu binden. Löw hat allerdings seit 2006 immer wieder gezeigt, dass ihn Vorgaben der DFB-Führung nicht daran hindern, seine Pläne nach seinen Vorstellungen durchzuziehen. Hat er wieder sportlichen Erfolg, wird ihm kaum jemand reinreden können.

Warum darf Grindel seine internationalen Ämter behalten?

Grindel ist nicht vom DFB in die UEFA-Exekutive und in das FIFA-Council gewählt. Die Ämter sind an seine Person gebunden. Aber natürlich könnte der DFB Druck auf Grindel ausüben. Das wäre aber im Moment gegen die eigenen Interessen. Bei den dann anstehenden Neuwahlen wäre nicht gesichert, dass ein noch unerfahrener deutscher Kandidat den Posten bekommt. Die Strategie ist also: Grindel in den Ämtern lassen, bis sich der neue DFB-Chef einen Namen gemacht hat. So lief es auch bei Grindel selbst als Nachfolger von Wolfgang Niersbach.

Droht Grindel nun auch Ungemach von FIFA und UEFA?

Noch hat die FIFA-Ethikkommission keine Ermittlungen eingeleitet. Aber Grindel hat das Uhren-Geschenk aus der Ukraine nun selber angezeigt. Es wäre verwunderlich, wenn sich FIFA-Boss Gianni Infantino die Chance entgehen ließe, einen seiner härtesten Kritiker nicht auch noch auf diesem Weg in die Bredouille zu bringen. Die Ethikhüter sind formal unabhängig, aber von ihm ins Amt gebracht. Bei einem Verfahren wegen eines Interessenkonfliktes sind Geldstrafe und Verbannung aus dem Amt möglich. Bei der UEFA ist unter der Hand auch Bedauern zu hören, dass Grindel beim DFB gehen musste. Aber UEFA-Chef Ceferin kann sich in den harten Auseinandersetzungen mit Infantino auch keinen Vize-Präsidenten leisten, dem ein moralischer Makel anhängt.


(dpa)

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