«Das ist doch pervers»: DBB-Chef mit Generalkritik

Shanghai – Fragen an Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball Bunds, nach der WM in China.

Die DBB-Auswahl um NBA-Profi Dennis Schröder scheiterte bereits in der Vorrunde und schaffte mit dem 82:76-Sieg über Kanada am Montag in Shanghai zum Abschluss den Sprung zu einem Qualifikationsturnier für Olympia 2020. Das Gespräch begann ohne Frage.

Ingo Weiss: Die Berichterstattung über Dennis Schröder geht mir auf den Wecker. Er wird nach seinem Commitment gefragt. Was soll er denn sagen? Er sagt: Wenn ich gesund bin, wenn ich Lust habe, und das hat er, spiele ich. Was soll er denn noch mehr machen? Dann lese ich: Dennis Schröder weiß nicht, ob er weiterspielt. Das ist doch pervers. Die Trainerfrage wird laufend immer wieder weiter hochgehoben. Es wird immer nur das Negative herausgebracht. Warum kann man nicht auch einmal sagen, dass die Jungs sich bis zum Ende den Arsch aufgerissen haben.

Daniel Theis hat gerade deutlich gesagt, dass er denkt, dass alle im nächsten Sommer spielen werden. Dennis Schröder hat sich für sich persönlich unklarer ausgedrückt.

Weiss: Was soll er denn sagen, wenn immer wieder gebohrt wird. Ich habe dem Jungen schon gesagt, wir müssen irgendwann mal ein Medientraining zusammen machen.

Die Frage ist völlig legitim, ob der Kern der Mannschaft auch im nächsten Sommer zusammenbleibt.

Weiss: Die Frage ist auch legitim, aber ich wurde auch noch nicht gefragt: Warum treten Sie nicht als Präsident zurück? Warum soll der Kern denn nicht zusammenbleiben? Die Jungs sind jung und fidel und wollen noch weiterspielen. Sie haben Olympia, sie haben die Europameisterschaft, sie haben alles noch vor sich. In der Mannschaft funktioniert es, natürlich bekommt sich der eine mal mit dem anderen an die Köpfe. Das ist ganz normal. Bei den Jungs klappt es aber. Es ist ein Teamgeist vorhanden. Aber es wird immer nur negativ gesehen. Wenn ich einmal was Positives lesen würde, wäre es schön.

Unabhängig von Ihrer Medienschelte: Wie weit hat das Abschneiden den DBB zurückgeworfen?

Weiss: Gar nicht. Wir haben unser Ziel erreicht, wir sind 18. geworden, das hat uns überhaupt nicht zurückgeworfen. Wenn ich in einer Zeitung lese: Die Vorfreude auf die EM 2021 ist getrübt, das ist doch pervers. Wir haben unser erstes Ziel erreicht: das Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele. Wir sind 18. geworden bei der Weltmeisterschaft, das ist für uns ein Erfolg.

Das Ziel war aber die Zwischenrunde. Und die Ansprüche angesichts der eigenen Qualität waren andere als ein 18. Platz.

Weiss: Das Spiel gegen die Dominikanische Republik war grottenschlecht, das haben wir leider verloren. Das muss man anerkennen. Das Spielsystem ist nun mal so, dass es ein Problem ist, wenn man das eine Spiel verliert. Wir sind stolz, dass wir überhaupt bei einer Weltmeisterschaft dabei sind. Die letzte Weltmeisterschaft waren wir überhaupt nicht dabei. Am Ende des Tages gehen wir nach Hause, und wir haben zwei Spiele verloren, mit vier Punkten gegen Frankreich und mit zwei Punkten gegen die Dominikanische Republik. Und trotzdem werden über uns Scheißekübel ausgeschüttet.

Was nimmt der Verband mit als Lehre aus dieser WM?

Weiss: Dass wir zwei Spiele verloren haben und danach alle gewonnen. Die Mannschaft hat viele Erfahrungen gesammelt, um mit negativen Erlebnissen umzugehen. Wir werden in Ruhe analysieren und uns mit dem Trainer und Coachingstab hinzusetzen und fragen, woran es gelegen hat. Wir haben drei Matchbälle: die Olympia-Qualifikation, vielleicht Olympia und die Europameisterschaft 2021 im eigenen Lande. Wenn wir bei der Europameisterschaft stehen, kann ich sagen, dass wir solche Spiele wie gegen Frankreich gewinnen müssen. Wir haben nicht eine Chance verpasst, sondern eine der ersten Chancen verpasst. Ich glaube nicht, dass ab morgen alle Basketballhallen geschlossen werden und alle ihren Spielerpass zurückgeben.

Warum will sich der Verband nicht für die Ausrichtung eines Olympia-Qualifikationsturniers bewerben?

Weiss: Dieses Qualifikationsturnier wird vier bis fünf Millionen Euro kosten. Ich muss nicht nur das Geld haben, sondern auch die Manpower. Wir fangen nach der WM an, die EM 2021 zu organisieren. Wenn ich noch ein Sechserturnier veranstalte, habe ich ein Problem.


(dpa)

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