Der Autokrat muss gehen: Gewichtheber-Präsident Ajan am Ende

Hamburg – Er hat gezetert und gedroht, sich mit Händen und Füßen gewehrt. Am Ende hat es nichts genutzt: Tamás Aján, Präsident des Gewichtheber-Weltverbandes IWF, muss seinen Thron in der Budapester Geschäftsstelle räumen.

Offiziell ist der 81-jährige Ungar am 15. April zurückgetreten. «Es war im Grunde ein Rauswurf. Es hat während der Untersuchungen gegen ihn nicht einen Schritt gegeben, den er freiwillig gegangen ist», sagt Christian Baumgartner, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber (BVDG), und ergänzt: «Heute ist ein schöner Tag.»

Ajáns Sturz ist mit der ARD-Dokumentation «Geheimsache Doping – der Herr der Heber» vom 5. Januar eingeleitet worden. Darin wurden Korruption, Doping-Verstöße, Manipulationen, verschwundene Millionen-Einnahmen, schwarze Kassen und Sportbetrug unter seiner Ägide aufgelistet. Es gab Geständnisse vor der Kamera und Fakten aus internen Papieren. Der Ungar bestritt jedwede Verfehlung und sah den TV-Bericht als hinterhältige Verschwörung gegen sich an.

Die Chefin der US-Gewichtheber Ursula Papandrea war im Januar als Interims-Präsidentin der IWF bestimmt worden. Sie suspendierte Aján für zunächst drei Monate, leitete umgehend Untersuchungen gegen ihn ein, beauftragte Doping-Aufklärer Richard McLaren mit den Ermittlungen. Die Ergebnisse sind offiziell noch nicht bekannt, müssen für den Ungarn wohl aber verheerend sein.

Aján hatte während der Suspendierung auf die Anordnung des Weltverbandes gepfiffen, fühlte sich unverändert als Herrscher der Gewichtheber, sonnte sich als deren Vertreter bei internationalen Ereignissen. Kurz: Er machte, was er wollte. Er beschimpfte Papandrea und drohte, sie verhaften zu lassen, wenn sie mit McLaren-Leuten in der Budapester Geschäftsstelle auftauchen sollte.

Papandrea, die die Amtsgeschäfte ursprünglich nur bis Mitte April führen wollte, bleibt aufgrund der Coronavirus-Pandemie und des ausgefallenen IWF-Kongresses zunächst bis Mitte Juni Interimschefin. Viele aber wollen sie als Dauerlösung. «Ich habe den Eindruck: Die Frau war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort», sagt BVDG-Sportdirektor Frank Mantek. «Meine Unterstützung hat sie uneingeschränkt. Mit ihr hat das Weltgewichtheben wieder ein Chance.»

Der dopingverseuchte Sport, der bei der Nachanalyse der Olympischen Spiele von Peking und London mit 61 positiven Fällen (!), zumeist Medaillengewinnern, eine Bankrotterklärung erlebte, ist mit einem neuen Qualifikationssystem zuletzt zwar auch schon unter Aján auf einem positiven Weg gewesen. Doch der Ungar wollte nicht aufklären, sondern immer nur verschleiern. «Ich hoffe, dass der Schaden für unseren Sport reparierbar ist», sagt Papandrea.

20 Jahre war Aján Präsident der Gewichtheber, 24 Jahre ihr Generalsekretär. In dieser Zeit hat er einen gut geschmierten Apparat um sich errichtet. «Jetzt müssen die Strukturen aufgearbeitet werden, es müssen neue Köpfe ran. Mit Ajáns Gefolgsleuten ist ein Neubeginn nicht möglich», betont Baumgartner, der einst als ein Aján-Opfer aus der IWF-Exekutive katapultiert wurde, weil er im Kampf gegen Doping immer wieder Attacken ritt. Baumgartner: «Für einen Autokraten wie Aján ihn gibt es keine Zukunft mehr im Sport.»


(dpa)

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