Der deutsche Fußball vor der Neustart-Woche

Frankfurt/Main – Eine Woche vor dem mit Spannung erwarteten Re-Start treiben Vereine und Organisatoren die Planungen für die Wiederaufnahme des Bundesliga-Spektakels voran.

Die Clubs beziehen nach und nach ihre Quarantäne-Hotels, ein internes Papier der Deutschen Fußball Liga legt unter anderem Verhaltensregeln für den Torjubel und den Umgang mit Gesichtsmasken fest. Auch drei Tage nach der Erlaubnis der Politik, den Ball wieder rollen zu lassen, sorgt die Entscheidung für Diskussionen.

KRITIK: Nach Ansicht des langjährigen Ethikrats-Vorsitzenden Peter Dabrock ist die Fortsetzung der Saison eine Gefahr für die Solidarität in der Gesellschaft. «Das Konzept ist von vorne bis hinten nicht durchdacht und wird eine fatale Wirkung auf das gesamte Einhalten der Einschränkungen haben», sagte der Theologie-Professor der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Interview der Deutschen Presse-Agentur mit Bezug auf den DFL-Fahrplan.

«Wenn das Mantra lautet: kein Kontakt, Abstand, Hygiene, Schutz, aber man dann ausgerechnet eine Sportart zulässt, in der all das von Anfang an und notorisch nicht eingehalten werden kann, hat das natürlich Auswirkungen darauf, ob sich die Menschen fragen: Warum muss ich mich in meinem Bereich an solche Einschränkungen halten?», erläuterte Dabrock.

Die ehemalige Weltklasse-Biathletin Laura Dahlmeier steht dem Wiederbeginn schon am 16. Mai ebenfalls skeptisch gegenüber. «Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn man noch ein bisschen warten würde, es muss ja jetzt nicht sofort wieder gespielt werden», sagte die Doppel-Olympiasiegerin. Der frühere Tennisprofi Nicolas Kiefer geht mit seiner Kritik noch weiter: «Ich halte das für absolut unverantwortlich. Es gibt im Moment ganz andere Baustellen», sagte der 42-Jährige dem dem hannoverschen Stadtmagazin «magaScene».

FANS: Dabrock sieht auch eine Gefahr für Fans – und das nicht primär im Stadionumfeld. «Wenn nach den ersten zwei Spieltagen die Bundesliga wieder verschlüsselt übertragen wird, ist davon auszugehen, dass sich die Fans unter Freunden einfinden, die ein Abonnement haben oder sie gehen in die Kneipen, und dann gibt es eine Art Public Viewing», sagte er mit Blick auf die Situation bei den Fernsehrechten. Während man Kneipenbesuche noch überprüfen und verbieten könne, seien Kontrollen bei Treffen im privaten Umfeld nicht möglich. Zudem komme im Wohnzimmer «natürlich das Bier dazu, natürlich gibt man sich bei einem Tor reflexartig die Hand oder fällt sich in die Arme. Das ist die reale Gefahr.»

Derweil appellierte Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic an die Fans der Hessen, sich bei Spielen ohne Stadionzuschauer nicht am Stadion aufzuhalten. «Wir haben viel mit unseren Fans gesprochen und gesagt: «Hört zu, Jungs, taucht nicht am Stadion auf. Wenn ihr dort auftaucht, verlieren wir dieses Spiel, weil die Regeln sehr streng sind». Denn wenn sie auftauchen, geht das Spiel ans Auswärtsteam», sagte Bobic dem amerikanischen Sportsender ESPN. Der 48-Jährige ist zuversichtlich, dass sich die Anhänger an die Vorgaben halten.

DETAILLIERTE HANDLUNGSANWEISUNGEN: Um die Gefahren in den Stadien möglichst gering zu halten, hat die DFL in einem internen Papier «Covid-19 Organisations-Rundschreiben Sonderspielbetrieb» klare Vorgaben für viele Situationen während und rund um die Partien gemacht. Sogar beim Torjubel sollen die Spieler die Corona-Krise im Hinterkopf haben. So sei nach Informationen der «Bild»-Zeitung nur «kurzer Ellenbogen- oder Fußkontakt» mit den Mitspielern erlaubt. Auch die Einwechslungen sollen ohne das übliche Abklatschen durchgeführt, Rudelbildungen und Spucken vermieden werden.

Für Trainer, Ersatzspieler und Betreuer gibt es ebenfalls klare Anweisungen. Alle Personen auf der Ersatzbank sollen eine Maske tragen, der Coach darf den Nasen- und Mundschutz allerdings zum Rufen von Anweisungen abnehmen, «sofern er einen Mindestabstand von 1,50 Meter von allen anderen Personen einhält».

3. LIGA: So weit wie die Bundesliga und 2. Bundesliga ist die 3. Liga in Sachen Saisonfortsetzung noch nicht. Zwar hat der Deutsche Fußball-Bund für die dritthöchste Spielklasse genau wie für die DFB-Pokalwettbewerbe der Frauen und Männer sowie für die Frauen-Bundesliga Hygienekonzepte vorgelegt, die sich stark am von der «Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb» entwickelten Konzept der DFL orientieren. Anders als für die Fußball-Eliteklasse gibt es für die 3. Liga aber noch kein grünes Licht von der Politik.

Zudem stehen nicht alle Vereine hinter einer Saisonfortsetzung, und auch von Spielern gibt es Kritik. «Der DFB will unbedingt, dass es weitergeht. Die Spieler werden zu diesem Thema aber überhaupt nicht einbezogen», wird Magdeburgs Offensivspieler Sören Bertram am Samstag von der «Magdeburger Volksstimme» zitiert. «Wir sind nur Marionetten.»


(dpa)

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