Ein Fußball-Wunder fast zum Nulltarif: Der FC Famalicão

Lissabon – Ein Team der Namenlosen mischt Portugals Fußball auf. Die Fans reiben sich verwundert die Augen, Fachmedien sprechen von einem Wunder, von einem «wahr gewordenen Märchen», wie die Zeitung «Público» jüngst schrieb. Und sie übertreiben nicht.

Die erste Liga im Land des Europameisters um Megastar Cristiano Ronaldo wird derzeit von den Nobodys vom Neuling FC Famalicão angeführt. Schon wenige Zahlen machen deutlich, wieso von einem Wunder die Rede ist: Die «Blau-Weißen» aus dem Norden Portugals kickten vor zehn Jahren als waschechte Amateure noch in der fünften Liga. Seit der Gründung des Clubs im Jahr 1931 hatte man bisher insgesamt nur sechs Mal bei den Besten mitgespielt, zuletzt 1994. Das knapp 70 Jahre alte «Estadio Municipal 22 de Junho» bietet nur 5307 Zuschauern Platz.

So galt schon der Aufstieg ins Oberhaus im Frühjahr als Sensation. Der milliardenschwere Unternehmer Idan Ofer, der rund ein Drittel des spanischen Topvereins Atlético Madrid besitzt und den portugiesischen Club 2018 gekauft hatte, startete daraufhin einen radikalen Umbau des Kaders. Knapp 30 Spieler mussten gehen, 22 der 27 aktuellen Profis wurden in die 133 000-Einwohner-Stadt rund 30 Kilometer nordöstlich von Porto geholt.

Das Sensationsteam gab es zum Nulltarif. Denn Geld gab Ofer trotz seines dicken Scheckheftes für den Umbruch keines aus. Der Israeli arbeitete mit dem befreundeten Ronaldo-Agent Jorge Mendes zusammen, der wiederum sowohl seine guten Beziehungen als auch seinen «guten Riecher» für Talente spielen ließ. Er lockte sehr viele junge namenlose, aber offenbar hungrige und starke Profis zumeist auf Leihbasis in die portugiesische Provinz.

Bei den Neuzugängen handelte es sich vorwiegend um Brasilianer, zwölf insgesamt. Darunter der 19-jährige Mittelfeldmann Gustavo Assunção, ein Sohn von Ex-Nationalspieler Paulo Assunção, und Innenverteidiger Patrick William (22). Am Wunder beteiligt sind auch der Argentinier Nehuén Pérez (19), die Spanier Toni Martínez (22) und Alex Centelles (20), der Engländer Josh Tymon (20), der Serbe Uros Racic (21) oder der Uruguayer Nicolás Schiappacase (20). Mit einem Durchschnittsalter von 23,4 Jahren ist das Team die jüngste Mannschaft Portugal.

In Portugal wird der FC Famalicão bereits mit dem Team von Leicester City verglichen, das 2016 nur zwei Jahre nach dem Aufstieg sensationell Meister der Premier League wurde. Leicester hatte aber damals einige gestandene Profis im Kader, wie zum Beispiel den Franzosen N’Golo Kanté oder den Deutschen Robert Huth. Und dazu Startrainer Claudio Rainieri. Die Portugiesen werden derweil seit dem Sommer von João Pedro Sousa gecoacht, der noch nie als Cheftrainer gearbeitet hatte und zuletzt Co-Trainer beim FC Everton war.

Investor Ofer sieht sein Projekt als bahnbrechend an. «Wir können hier neue Technologien wie etwa künstliche Intelligenz testen. Dinge, die wir bei Atlético Madrid nicht unbedingt machen können», erklärte der Israeli dem Fußballblatt «Record». Ins Detail ging er aber nicht.

Die Frage, die sich die Fußball-Fans in Portugal spätestens seit dem 2:1 der «Famalicenses» Ende September beim Top-Club Sporting Lissabon stellen, lautet: Kann das Nobody-Team in die Phalanx der drei «Granden» eindringen? Benfica, Porto und Sporting machen den «Campeão» seit 1934 praktisch unter sich aus. Es gab nur zwei Ausnahmen: 1946 Belenenses Lissabon und 2001 Boavista Porto.

«Wir haben nichts zu verlieren», sagte der junge Brasilianer Patrick William der Sportzeitung «A Bola». Das Erfolgsrezept? «Wir sind alle jung und denken gleich. Es gibt bei uns keine Eitelkeit. Das ist vielleicht unser Geheimnis», meint William, der bis vor kurzem in der brasilianischen Provinz spielte. Auch bei einer Niederlage werde sich das Team nicht aus der Ruhe bringen lassen, so William. Die große Feuerprobe steht am 27. Oktober an. Dann treten William & Co. zum ungleichen Derby bei Verfolger FC Porto an.


(dpa)

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