Gierige Bayern können unter Flick auch Corona-Meisterschaft

Bremen – Zumindest eine improvisierte Corona-Party im intimen Mannschaftskreis gönnten sich die Münchner Geistermeister in ihrem von der Außenwelt abgeschotteten Teamhotel.

In der kurzen Nacht vor dem Rückflug aus Bremen am Mittwochmorgen wollte ein «mächtig stolzer» Hansi Flick (55) mit seiner Assistenten-Legende Hermann Gerland (66) ausnahmsweise sogar mit einem «Bourbon-Cola-Light» auf sein erstes Meisterstück als Trainer des FC Bayern anstoßen.

Flicks gierige Bayern sind nach dem 1:0 beim abstiegsbedrohten SV Werder zum 30. Mal Meister, zum achten Mal nacheinander. Ein ewiger Champion, der sich auch von einem verflixten Virus nicht aufhalten lässt – und von Bundesliga-Konkurrenten wie Dortmund, Leipzig, Gladbach oder Pokalfinalgegner Leverkusen mal wieder nicht.

Es wirkte gespenstisch, aber auch skurril und surreal, wie die Münchner Trophäensammler um Super-Torjäger Robert Lewandowski am Dienstagabend im Bremer Geisterstadion ohne mitgereiste Fans die «Welle» mit den auf der Tribüne jubelnden Bossen um Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Kahn inszenierten. David Alaba gab später in der Kabine mit «Campeones»-Rufen den lautstarken Einheizer, ehe es mit Mund-Nasen-Schutz in den Bus und ins Hotel Atlantic ging.

«Hoffentlich bleibt das die einzige Saison, die so gespielt wird. Ich hoffe, dass die Fans wieder ins Stadion dürfen. Die Atmosphäre, das Adrenalin durch die Stimmung fehlt», sagte Flick zum Saison-Finish unter Ausschluss des Publikums. «Seltsam» fand Rummenigge das trostlose Jubelschauspiel im Stadion. Das strenge DFL-Hygienekonzept verbot auch den nicht auf das Virus getesteten Bossen eine Teilnahme an der kleinen Hotelparty, bei der laut Augenzeugen gesungen, gegessen und ein bisschen getrunken wurde. Die Meisterschale fehlte auch, sie wird Kapitän Manuel Neuer erst nach dem letzten Spiel am 27. Juni in Wolfsburg überreicht.

Der Titel-Schlusspunkt in Bremen war keine Fußball-Gala, aber doch Bayern-like mit dem 31. Saisontor von Liga-Toptorjäger Lewandowski und einer spektakulären Kopfballabwehr von Ausnahmetorhüter Neuer in der Schlussminute. «Wir haben gezeigt, dass wir die beste Mannschaft in Deutschland sind», tönte Lewandowski zurecht. Selbst schwächelnde Bayern, die in der Vorsaison mal neun Punkte hinter dem BVB lagen und in dieser Spielzeit vor Weihnachten sieben Zähler hinter den führenden Gladbachern, vermag keiner die Schale zu entreißen.

«Meine erste Meisterschaft 2010 als ganz junger Spund war so ein bisschen was besonderes. Aber dieses Jahr mit dem Comeback war die emotionalste», sagte Thomas Müller, mit neun Titeln nun zusammen mit Alaba und dem Ex-Bayern Franck Ribéry Rekord-Meisterspieler.

Das Coronavirus hat die Bundesliga in der Zwangspause mit den finanziellen Ungewissheiten und den Geisterspielen arg verändert. Aber die größte Veränderung beim Corona-Champion FC Bayern vollzog sich im vergangenen November, beim Chef-Wechsel von Niko Kovac zu Hansi Flick. «Dass es am Ende so ausgeht, hätte niemand gedacht», sagte Flick, der im Sommer 2019 als Assistent kam und in dem viele nach nur einem halben Jahr einen neuen Jupp Heynckes sehen.

«Wir haben zwischendurch geschwächelt, da haben es die Konkurrenten ein bisschen verpasst, davonzuziehen. Und als Hansi das Ruder übernommen hat, hat er das Schiff sehr schnell wieder auf Fahrt gebracht», sagte Rummenigge. Flick entpuppte sich als Glücksfall. «Hansi ist der Baumeister, er hat den größten Anteil», sagte der Ex-Bayer Lothar Matthäus in seiner Funktion als Sky-Experte.

Der einstige Weltmeister-Assistent von Bundestrainer Joachim Löw hat ein Gespür für Fußball und Fußballer. Mit seiner Empathie gelingt es ihm, ein Team inklusive Betreuerstab zur Höchstleistung zu führen. «Man hat nie alleine Erfolg. Erfolge kannst du nur im Team haben», sagte Menschenfänger Flick in Bremen typisch bescheiden.

All seine Ideen gingen – bislang – auf. Die Mannschaft sei die Umstellung auf einen «offensiveren» Spielstil «mitgegangen». Er machte Alaba zum Abwehrchef, Joshua Kimmich dauerhaft zum Sechser. Der in Bremen vom Platz gestellte Alphonso Davies entwickelte sich zum Senkrechtstarter, der Muckimann Leon Goretzka zum Sinnbild der fulminanten Siegesserie nach der zweimonatigen Corona-Pause. Und die alten Weltmeister-Recken Müller und Jérôme Boateng, der in Bremen bester Münchner war, machte Flick auch wieder flott und wichtig.

Hansi, der Baumeister, ist aber noch lange nicht fertig. Neue Stars (Leroy Sané?) werden kommen. Vorher aber will Flick diese verflixte Corona-Saison auch titelmäßig krönen. «Ich bin glücklich, dass wir die Meisterschaft jetzt gewonnen haben. Aber das ist einfach nur der erste Schritt», sagte der sympathische Ehrgeizling.

Ziel Nummer zwei ist das Double, im Pokalfinale am 4. Juli in Berlin gegen Bayer Leverkusen. Und klar, auch Flick träumt längst intensiv vom Triple, selbst wenn dieses noch weit entfernt ist. Erst im August soll der Henkelpott in einem Blitzturnier an einem Ort vergeben werden. Flick: «Die Champions League kann man nicht planen. Es wird immer nur ein Spiel sein. Da müssen wir auf den Punkt topfit sein.»


(dpa)

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