Luxemburg – Han Ying gegen Li Fen: Mit diesem Spiel begann in dieser Woche eine Mannschafts-Europameisterschaft in Luxemburg. Typisch Tischtennis, denken da viele. Selbst bei einer EM kommen die besten Spielerinnen eigentlich aus China.
Han Ying hat seit 2010 einen deutschen Pass, Li Fen seit 2012 einen schwedischen. Sie können viele Geschichten darüber erzählen, wie das so ist: Für ein anderes Land zu spielen als das, in dem man geboren und aufgewachsen ist. Han Ying fällt da zum Beispiel die EM 2013 ein, als sie zum ersten Mal mit der deutschen Mannschaft einen großen Titel gewann. Damals feuerten die Zuschauer nur die einheimischen Spielerinnen an, nicht aber die eingebürgerten. Obwohl sie wussten: Mit Han Ying wird man Europameister. Ohne sie eher nicht.
Oder sie denkt nur an die vergangenen 13 Monate, in denen sie für Deutschland an den Olympischen Spielen teilnehmen durfte, an der Heim-WM in Düsseldorf dann nicht und an diesen Europameisterschaften im Sport- und Kulturzentrum d’Coque nun wieder doch. Unterschiedliche Verbände leisten sich bei diesem Thema ganz unterschiedliche Regeln.
Wenn Han Ying solche Geschichten erzählt, tut sie das in einem nicht akzent-, aber fast fehlerfreien Deutsch. Die 34-Jährige kam schon vor 15 Jahren in ihre zweite Heimat. «Es gibt Menschen, die mich gern sehen wollen, und Menschen, die das nicht tun. Das kann ich nicht ändern», meint sie. «Dadurch, dass wir mittlerweile seit Jahren gut spielen und hier leben, ist vieles besser geworden. Nach der Medaille bei den Olympischen Spielen im letzten Jahr habe ich viele Briefe und Autogrammwünsche bekommen. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen.»
Bei der Team-EM in Luxemburg hat der Titelverteidiger Deutschland zwei gebürtige Chinesinnen im Team: Han Ying, die Weltranglisten-9. Und Shan Xiaona, die Weltranglisten-16. Beide sind schon 34 Jahre alt und damit 14 Jahre älter als ihre Teamkolleginnen Nina Mittelham und Yuan Wan (geboren in Eberswalde). Alles an dieser EM ist neu für eine 20-jährige Debütantin wie Mittelham. Aber sie sagt: «Neben mir habe ich zwei Top-Spielerinnen. Von daher kann ich ganz gelassen sein.»
Fragt man Han Ying, was sie mit Deutschland verbindet, spricht sie sehr schnell von Dankbarkeit. Und Glück. «Durch die deutsche Nationalmannschaft habe ich die Chance bekommen, solche Erfolge zu feiern und an so großen Wettbewerben wie den Olympischen Spielen teilzunehmen. In China ist so etwas fast unmöglich.»
Dass gebürtige Chinesinnen in Europa selbst dann kaum zu schlagen sind, wenn sie in China nicht gut genug für die Nationalmannschaft waren, ist kein Zufall. Tischtennis ist in China Volkssport. Nirgendwo sonst werden so viele Spielerinnen so früh, so gut, aber auch so knallhart ausgebildet. «In Deutschland werden Talente oft erst viel zu spät entdeckt und gefördert. In China wird man von klein auf gedrillt», sagte Shan Xiaona 2016 in einem «taz»-Interview.
Han Ying und Shan Xiaona: Beide sind gleich alt, beide wohnen in Düsseldorf, beide gewannen 2016 Olympia-Silber mit dem deutschen Team und beide wollen auch nach dem Ende ihrer Karriere in Deutschland bleiben. «Meine Tochter, mein Mann, meine ganze Familie lebt hier. Ich habe keinen Plan, irgendwo anders hinzugehen», sagt Han.
Was den beiden auch noch hilft, ist: Sie haben eine Bundestrainerin, die all das aus eigener Erfahrung kennt, was Han Ying und Shan Xiaona erlebt haben. Jie Schöpp kam 1989 selbst aus China nach Deutschland.
«Als wir das erste Mal für Deutschland spielten, hatten wir als eingebürgerte Chinesinnen natürlich auch Druck», erinnert sich Han Ying. «Aber den größten Druck hatte Jie Schöpp. Sie hat die ganzen kritischen Stimmen abgekriegt. Sie musste alles verantworten. Aber sie hat uns immer gesagt: «Ihr müsst nur gut spielen, mehr nicht. Um alles andere kümmere ich mich.» Das werde ich ihr nie vergessen.»
(dpa)