«Justice for George»: Proteste bringen DFB in ein Dilemma

Hamburg – Das traurige Schicksal von George Floyd hat auch die Bundesliga bewegt.

Weston McKennie von Schalke 04 zeigte Empörung und Anteilnahme auf einer Armbinde, Mönchengladbachs Marcus Thuram ging symbolisch in die Knie, die Dortmunder Jadon Sancho und Achraf Hakimi forderten auf T-Shirts «Justice for George Floyd» (Gerechtigkeit für George Floyd). Die Wut über die erschreckenden Bilder aus den USA und den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners hat über Pfingsten auch das Tausende Kilometer entfernte Deutschland erreicht.

Mit ihren starken Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA brachten sie zugleich den Deutschen Fußball-Bund und die Deutsche Fußball Liga in ein Dilemma. Den Statuten zufolge sind solche Aktionen untersagt. Der DFB kündigte an, dass sich der Kontrollausschuss damit befassen werde. Doch eine Bestrafung der Profis würde alle Anti-Rassismus-Aktionen ad absurdum führen. Und auch alle Bemühungen, den Profifußball zu verändern und wieder gesellschaftlich relevanter zu machen.

«Natürlich ist das eine Situation, die nicht erlaubt ist. Trotzdem denke ich, die Spieler sollten ruhig mündig sein. Und sollten immer wieder ihre Meinungen auch zu unterschiedlichen, auch gesellschaftlichen Themen, kundtun», sagte Bayern Münchens Vorstand Oliver Kahn am Sonntagabend bei «Sky90».

Dass sich Sportler gesellschaftspolitisch äußern, ist nicht neu. Für Deutschland ist das aber noch immer ungewohnt, vor allem im Profifußball. «Wir sollten keine Angst haben, die Stimme zu erheben für das, was richtig ist, wir müssen uns alle zusammentun und gemeinsam für Gerechtigkeit kämpfen. Zusammen sind wir stärker!», schrieb Dortmunds Sancho nach dem 6:1 des BVB beim SC Paderborn.

Nach seinem Treffer zum 2:0 in der 57. Minute streifte der 20 Jahre alte Engländer sein Trikot ab und zeigte darunter ein Shirt mit der Aufschrift «Justice for George Floyd». Danach sah er – wegen Trikot-Ausziehens – die Gelbe Karte. Wenig später hielt das seinen Teamkollegen Hakimi nicht von einer ähnlichen Protestaktion ab.

«Wir müssen für das einstehen, woran wir glauben, und ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass wir gehört werden!», äußerte sich McKennie bei Twitter. In Erinnerung an Floyd hatte der 21-jährige Schalker während der zweiten Halbzeit der Partie gegen Werder Bremen eine Armbinde mit der Botschaft «Justice for George» getragen.

Der Gladbacher Thuram schrieb später über seinen Kniefall beim Spiel gegen Union Berlin bei Instagram: «Gemeinsam kommen wir voran. Gemeinsam verändern wir etwas.» Den Post versah er mit den Hashtags #justiceforgeorgefloyd und der Bewegung #blacklivesmatter (Schwarze Leben zählen). Im American Football hatte Colin Kaepernick 2016 mit einer ähnlichen Geste eine Protestwelle gegen Unterdrückung von Schwarzen und gegen Polizeigewalt in den USA gestartet. Der heute 32-Jährige war während der Nationalhymne auf ein Knie gegangen.

Das Narrativ vom unpolitischen Sport gilt schon lange nicht mehr. Das haben offensichtlich auch Vereine und Verbände erkannt. Der FC Schalke 04, der BVB und Borussia Mönchengladbach stellten sich hinter ihre Spieler und begrüßten deren Haltung. «Wenn man sich öffentlich gegen Rassismus stellt, dann ist das schon sehr in Ordnung», meinte Gladbachs Trainer Marco Rose. Der Weltverband FIFA retweetete einen Post von Frankreichs Weltmeister Kylian Mbappé mit #JusticeForGeorge.

Der 46-jährige Floyd war am Montag voriger Woche nach einem brutalen Polizeieinsatz gestorben. Acht Minuten und 46 Sekunden lang drückte ein weißer Polizist sein Knie auf Floyds Nacken. Floyds flehentliche Worte – «Ich kann nicht atmen» («I can’t breathe») – sind zum Kampfruf der Demonstranten geworden. Der Mann, der Floyd zu Boden drückte, wurde inzwischen verhaftet und wegen Mordes angeklagt. Die Proteste in etlichen US-Metropolen schlugen vielerorts in Gewalt um.

Vor allem die Sportwelt in den USA nimmt Anteil am Schicksals Floyd. Dort haben politische Äußerungen und Aktionen von Sportstars schon eine längere Tradition. Viele von ihnen solidarisierten sich in sozialen Medien und in persönlichen Stellungnahmen mit Floyd. «Ich bin zutiefst traurig, wirklich gequält und einfach wütend. Ich sehe und fühle jedermanns Schmerz, Empörung und Wut», ließ der frühere Basketball-Superstar Michael Jordan mitteilen.

Andere Basketball-Größen wie Stephen Curry und LeBron James waren in sozialen Netzwerken aktiv. Der Trainer der LA Clippers, Doc Rivers, bezog sich auch auf die Randale, die zuletzt die meist friedlichen Proteste zunehmend abgelöst haben. Diese Reaktion auf den Tod Floyds habe sich seit Jahrzehnten angebahnt, schrieb Rivers. Zu oft verurteilten Menschen die Reaktion auf etwas und nicht den Auslöser. «Schwarz zu sein in Amerika ist hart», schrieb Rivers.

Auch deutsche Basketballer meldeten sich zu Wort: Dennis Schröder postete auf Instagram «BlackLivesMatter», Maxi Kleber nahm mit Teamkollegen der Dallas Mavericks an einer Gedenkveranstaltung teil.

Der sechsmalige Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton kritisierte die Motorsport-Königklasse. «Ich sehe diejenigen von Euch, die still bleiben, einige von Euch sind die größten Stars und bleiben noch still mitten in dieser Ungerechtigkeit. Nicht ein Zeichen von irgendjemandem in meiner Industrie, die natürlich ein von Weißen dominierter Sport ist», schrieb der Brite, der es als erster dunkelhäutiger Pilot in die Formel 1 geschafft hat, auf Instagram.

In Deutschland wird mit Spannung erwartet, wie der DFB mit McKennie, Sancho, Hakimi und Thuram umgeht. Schon einmal gab es einen vergleichbaren Fall: Anthony Ujah von Union Berlin zeigte 2014 noch als Spieler des 1. FC Köln ein T-Shirt mit der Aufschrift «I can’t breathe». Seinerzeit wurde Eric Garner auf ähnliche Weise getötet wie Floyd. Der DFB entschied milde: Er beließ es im Fall Ujah bei einer Ermahnung und Erinnerung an das Verbot von politischen Statements.


(dpa)

(dpa)