Klessing erklärt seinen Dreifach-Salto: «Bin der Einzige»

Stuttgart – Nick Klessing kann so schnell nichts erschüttern. Vor dem Ringe-Finale bei der Turn-WM wirkt der 21-Jährige voll konzentriert und in sich ruhend.

Dabei turnt der Hallenser am Samstag (16.00 Uhr/SWR Livestream/ab 18.30 ARD) ein nicht ungefährliches Element, das außer ihm keiner der 201 Ringe-Akrobaten bei den Titelkämpfen in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle wagt: einen dreifachen Salto rückwärts gehockt als Abgang.

«Ja, ich bin hier der Einzige. Den Dreifach-Salto machen nicht viele auf der Welt», bestätigt der angehende Polizeimeister aus Halle/Saale am Freitag beim Mediengespräch im deutschen Teamquartier. Seine Erklärung, warum er das tut, ist so einfach wie logisch. Er tut sich schwer mit Längsachsendrehungen. Und zusätzliche Schrauben sind die einzige Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad bei Doppel-Saltos, also zwei Drehungen um die Körperbreitenachse, signifikant zu erhöhen.

So blieb Klessing nur eine Lösung: einen Salto mehr als alle anderen zu turnen. «Ich komme mit andere Abgängen nicht so zurecht», gesteht er. Alle anderen möglichen Varianten hat er im Laufe seiner Karriere schon ausprobiert. «Aber ich bin halt mehr für Breitenachsendrehungen gebaut», erklärt der mit knapp 1,60 Meter kleinste deutschen WM-Turner schmunzelnd.

Ein Dreifach-Salto ist deshalb mit besonders hohem Risiko verbunden, weil nur Millisekunden bleiben, um die extrem schnelle Rotation abzubremsen, den Körper aus der engen Hockposition zu strecken, um dann im sicheren Stand zu landen. Das gelang Klessing beim Team-Wettkampf so perfekt, dass er als Siebtbester mit der Note von 14,566 Punkten ins Gerätefinale einzog. Die Unterschiede sind minimal: Der Beste im Vorkampf an dem kräftezehrenden Gerät war der Türke Ibrahim Colak, der 14,858 Punkte bekam. Der Vorkampf-Achte, der Armenier Artur Towmasjan, erhielt dieselbe Note wie Klessing. Weniger als drei Zehntel liegen also zwischen allen dem Ersten und dem Letzten. «Sie sind alle Weltklasse», betont Klessing.

Dass er zum erlesenen Feld gehört, kam für den Jugend-Europameister von 2016 an den Ringen selbst «überraschend». Um so größer ist die Vorfreude, vor dem Heimpublikum als dritter Starter seine Übung noch einmal zeigen zu dürfen. Deren Wert will er im Finale durch ein etwas schwierigeres Kraftelement um 0,1 Punkte erhöhen. Seine Nervosität hält sich bisher in Grenzen. «Eigentlich bin ich vor dem Wettkampf immer recht entspannt, höre noch ein bisschen Musik und konzentriere mich ganz auf mein Ding. Durch die krasse Atmosphäre genießt man es besonders. Mal sehen, was am Ende rauskommt.»

Teamkollege Lukas Dauser hat noch einen Tag länger Vorbereitungszeit. Das Barren-Finale steigt erst Sonntag (13.00 Uhr/ZDF). Die Medaillen-Chance des Unterhachingers ist noch größer als Klessings. Zumal er sich mit der höchsten Note (15,033 Punkte) qualifizierte. Anders als der eigentlich weltbeste Barren-Turner Zou Jingyuan. Der Chinese leistete sich im Vorkampf einen dicken Patzer und verpasste den Endkampf. «Mir wäre es lieber, er wäre im Finale dabei und würde da verturnen», sagt Dauser verschmitzt. Der Finaleinzug des 26-Jährigen ist eigentlich ein kleines Wunder. Vor rund vier Wochen humpelte er nach einen Bänderanriss im Fuß noch an Krücken, nun turnt er um Gold: «Wahnsinn! Ich will meine beste Übung zeigen.»


(dpa)

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