McLaren nimmt IOC und Verbände in die Pflicht

Berlin – Richard McLaren hat geliefert, Thomas Bach muss nun handeln. Die Indizienflut des WADA-Sonderermittlers zum gigantischen russischen Dopingskandal dürfte bald weitere Nachbeben auslösen.

Zwei Berichte mit fast 200 Seiten hat der kanadische Rechtsprofessor McLaren inzwischen vorgelegt, mehr als 1000 russische Athleten aus 30 Sportarten sollen in das staatlich dirigierte Manipulations- und Betrugssystem involviert gewesen sein. Wie vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro ist nun das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit seinem deutschen
Präsidenten Bach gefragt.

Der Jurist aus Tauberbischofsheim ist strikt gegen den kompletten Bann eines gesamten NOK. Bach setzt wie vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro auf Einzelfallprüfungen, er sagt aber klipp und klar: «Für mich als Olympia-Teilnehmer sollte jeder Athlet oder Offizielle, der sich aktiv an einem solchen Manipulationssystem beteiligt hat, lebenslang von den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden – in welcher Funktion auch immer.»

Doch für viele ist das Maß längst voll. Sollte sich der Skandal im Zuge der neuen ungeheuerlichen Enthüllungen in diesem Ausmaß bestätigen, dann droht Russland womöglich der komplette Ausschluss von den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang/Südkorea.

Im Visier kritischer Kommentare der internationalen Presse stand am Samstag vor allem das IOC. Es zeichne sich vor allem «durch seine Unschlüssigkeit und seine Verschleppung der Sache aus», urteilte der britsche «The Guardian». Das IOC-Statement enthalte «keine Verurteilung, keine Reue, keine Entschuldigung, lediglich 300 Worte leeren Geschwafels». Der «Daily Telegraph» befand: «Solange der Fünf-Ringe-Zirkus keine ernsthaften Maßnahmen gegen das Doping unternimmt, sollten sich die Metropolen der Welt der «größten Show der Welt» verweigern.»

McLaren hatte in seinem am Freitag vorgestellten Bericht von einer «institutionellen Verschwörung» im russischen Sport gesprochen. Dass 1000 noch geheime Namen schließlich auch 1000 Dopingfälle sind, ist sehr unwahrscheinlich – jeder einzelne muss nun geprüft werden. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat deshalb bereits angekündigt, die Erkenntnisse aus dem Report und die entschlüsselten Namencodes an das IOC, die betreffenden internationalen Fachverbände und an das Internationale Paralympische Komitee weiterzugeben.

In seiner Reaktion auf Teil 2 des Reports erklärte das IOC, alle 254 Urinproben russischer Athleten von den Winterspielen 2014 in Sotschi erneut zu analysiert. Zudem wurde das Mandat der IOC-Kommission, die nun die Einzelfallprüfungen vornehmen soll, erweitert. Somit können auch sämtliche Dopingproben russischer Athleten, die bei den Olympischen Spielen 2012 in London genommen wurden, von den IOC-Experten untersucht werden. Die Disziplinarkommission wird vom Schweizer Denis Oswald geleitet.

McLaren hatte am Freitag Beweise dafür vorgelegt, dass Dopingproben von insgesamt zwölf Medaillengewinnern der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 manipuliert worden seien – in vier Fällen handele es sich um Olympiasieger. Namen wurden in dem Bericht nicht genannt.

Die Gastgeber hatten in Sotschi die Nationenwertung mit 33 Medaillen klar gewonnen: 13 Mal gab es Gold, 11 Mal Silber und 9 Mal Bronze. Würden Russen ihre Plaketten wegen Dopings nach Verfahren und entsprechenden Sanktionen tatsächlich verlieren, könnten in fünf Fällen deutsche Athleten auf Medaillenplätze vorrücken.

Für die Vorwürfe im McLaren-Report gebe es keine Beweise, sagte der Anwalt des russischen Paralympischen Komitees,
Alexej Karpenko, am Samstag. Der Jurist verglich das Vorgehen gegen Russland gar mit dem Stalin-Terror 1937: «Man wird vorgeladen, angeklagt, Beweise werden nicht vorgelegt, und schon geht man für zehn Jahre ins Lager.»

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(dpa)

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