Schweres Schicksal und Hang zum Extremsport: Luis Enrique

Barcelona – Ein Mädchen blickt in den Himmel. Auf dem Rücken scheint es Engelsflügel zu tragen. Es sitzt auf einem Ast, verträumt. Von dunklen Wolken umringt, leuchtet der Himmel mit Sternen in tiefblau und weiß. Ein Bild voller Poesie. Luis Enrique hat es als Profil-Bild bei Twitter.

Wer die Geschichte des spanischen Fußball-Nationaltrainers kennt, der am 8. Mai 50 Jahre alt wird, hält erst recht und ergriffen inne. Mitte Juni vergangenen Jahres. Der spanische Verbandschef gibt bekannt, dass Luis Enrique nicht mehr Trainer der Nationalmannschaft ist. Der Coach stellt seinen Posten zur Verfügung. Zu den Gründen sagt Verbandsboss Luis Rubiales nichts und verweist auf die Privatsphäre von Luis Enrique.

Dieser hatte bereits seit März des gleichen Jahres auf der Bank des ehemaligen Welt- und Europameisters gefehlt. Erst seit Juni 2018 hatte Luis Enrique die Verantwortung für «La Furia Roja», für die er als Spieler 61 Partien absolviert und zwölf Tore erzielt hatte.

Der Grund für seinen Rücktritt wurde einige Wochen später bekannt. Und er hätte schrecklicher kaum sein können. Luis Enrique teilte am 29. August 2019 mit, dass seine Tochter Xana gestorben sei. Sie wurde nur neun Jahre alt. Sie hatte nach fünf Monaten den intensiven Kampf gegen ein Knochensarkom verloren, schrieb er damals bei Twitter. «Wir werden dich sehr vermissen, aber uns jeden Tag unseres Lebens an dich erinnern, in der Hoffnung, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Du wirst der Stern sein, der unsere Familie lenkt», ergänzte Luis Enrique.

«Es war grausam», erinnerte sich später Lionel Messi in einem Interview der spanischen Zeitung «Sport». Der mittlerweile 32-Jährige konnte Enrique schon bestaunen, als er mit 14 Jahren aus Rosario nach Spanien wechselte und Luis Enrique als Profi bei den Katalanen spielte. Messi kannte auch Enriques Tochter, brachte sie schon mal zusammen mit seinen Kindern zur Schule. «Es gibt Dinge, die man nicht erklären kann», sagte er. «Wir haben alle Kinder und an so eine Situation zu denken, ist schrecklich schwer.»

Luis Enrique kehrte dennoch nach ein paar Monaten zurück. Mitte November vergangenen Jahres übernahm er wieder den Posten als Nationalcoach. Robert Moreno, der als Assistent von Luis Enrique zum Chefcoach der spanischen Auswahl befördert worden war, musste wieder gehen. Dieser hatte in der Zeit die Qualifikation für die EM geschafft und wollte das Amt – wie Luis Enrique schilderte entgegen der Absprache – nun danach auch erst wieder abgeben.

Luis Enrique warf dem mittlerweile 42 Jahre alten Moreno, mit dem er bei der AS Roma, bei Celta Vigo und auch beim FC Barcelona schon in der Kombination Chefcoach/Co-Trainer zusammenarbeitete, illoyales Verhalten vor. So jemanden wolle er nicht mehr in seinem Stab haben. Knallharte Worte des Rückkehrers, der vor allem auch als akribisch, anspruchsvoll und diszipliniert bekannt ist. Moreno ist sei Januar Trainer von AS Monaco.

Dass Luis Enrique auch sich selbst alles abverlangt, wurde vor allem nach dem Ende seiner Spielerkarriere 2004 deutlich. Der ehemalige Profi seines Heimatclubs Sporting Gijón, von Real Madrid und dem FC Barcelona ging unter die Extremsportler. Er absolvierte unter anderem 2007 in Frankfurt/Main den dortigen Ironman über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen. Enrique benötigte 10:19:30 Stunden.

Derzeit würde er eigentlich seine Nationalmannschaft, die durch einige Trainerwechsel in den jüngsten Jahren nur schwer zur Ruhe kam, auf die EM vorbereiten. Die Coronavirus-Pandemie hat alles verändert. Luis Enrique nutzt die Zeit auch, um Englisch zu lernen oder zu lesen. Ob auch poetische Werke darunter sind, verriet er nicht. Einen passenderen Satz für sein Twitter-Profil als den aktuellen wird er auch kaum finden können: «Ich weinte, weil ich keine Schuhe hatte, bis ich einen Mann sah, der keine Füße hatte.»


(dpa)

(dpa)