Sponsorenflaute bei Wasserspringer Hausding

Berlin – An einem winterlichem Samstagmorgen geht es kurz nach acht so richtig rund. Patrick Hausding macht sich vor dem ersten Sprung ins Wasser auf dem Trampolin warm.

Doppel-Schrauben folgen Doppel-Salti direkt in den Stand. Dem ungeübten Zuschauer wird schon vom Zusehen schwindelig – und spätestens bei der artistischen Waage mit Medizinbällen an Händen oder Füßen ganz anders. Der Olympia-Dritte nennt diese Einheiten «Regenerationstraining», so richtig soll der 27-jährige Berliner wegen seines maladen Körpers erst zu Jahresbeginn wieder loslegen.

Auch Monate nach dem Coup von Rio staunt Hausding immer noch über die erste olympische Medaille eines deutschen Wasserspringers vom Drei-Meter-Brett nach 104 Jahren. «Es ist eigentlich ein Märchen. Wenn man die Saison Revue passieren lässt, wie oft ich verletzt war, dann war das am Ende die perfekte Ausbeute», sagt der Rekord-Europameister der Deutschen Presse-Agentur nach drei vierten Plätzen bei den Spielen: «Es war eine Gratwanderung, eine ziemliche Quälerei hin zu Olympia.»

All die Schmerzen und Entbehrungen haben sich finanziell allerdings nicht ausgezahlt – im Gegenteil: «Sponsorentechnisch sieht es schlechter aus, muss ich sagen.» Ein Hauptsponsor verabschiedet sich 2017 vom Wasserspringen, auch das Auto ist passé. Zwar häufen sich Einladungen zu Galas und Ehrungen, trotzdem muss Hausding nüchtern bilanzieren: «Mittlerweile bringt auch eine Olympia-Medaille nichts mehr. Es ist erschreckend, klar.»

Wasserspringen gehört zu den ästhetischsten Sportarten, macht aber nicht reich. Trotzdem will Hausding bis 2020 weitermachen. «Ich fühle mich jetzt noch nicht alt und sehe keinen Grund, mich aus dem Leistungssport zu verabschieden», sagt der Stabsunteroffizier. Bis Jahresende standen bei der Bundeswehr diverse Lehrgänge an. Das Training wurde reduziert, Hausdings Körper konnte sich ein wenig erholen.

Malade Schultern und Knie, abgerissene Zehennägel, gerissene Kapseln – all das hält Wasserspringer nicht von Wettkämpfen ab. Der Schmerz ist Dauerbegleiter und wird für Medaillen und Erfolge in Kauf genommen. «Ein Weichei darf man nicht sein», sagt Bundestrainer Lutz Buschkow und spricht offen von einer «Risikosportart», die eine besondere mentale Stärke erfordere. Er bezeichnete Hausding einmal als «eine Katze, die man aus dem Fenster wirft» – und die trotzdem gut landet. «Er weiß sehr gut in der Luft Bescheid. Er kann sich gut in der Luft orientieren. Das ist eine Gabe.»

Zum Talent kommt Hausdings unbedingter Leistungswille. «Er ist schon als Kind mit Begeisterung zum Training gekommen, hat nie schlechte Laune», berichtet Heimtrainer Jan Kretzschmar über seinen Schüler.

Vom Turm prallen Springer mit 60 Stundenkilometern kopfüber aufs Wasser. Die Bremskräfte gehen an Handgelenken und Schultern nicht spurlos vorbei. Bei 12 000 bis 16 000 Sprüngen pro Jahr fehlt manchmal die Zeit zum richtigen Eintauchen. Das passierte auch schon Hausding. Nach einem Bauchklatscher von der Zehn-Meter-Plattform rissen einmal mehrere Kapillargefäße, innere Verletzungen mussten medizinisch abgeklärt werden.

Für den 13-maligen Europameister sind Schmerzmittel oft Begleiter seiner erfolgreichen Karriere. Bei der WM 2015 rissen ihm bei einem missglücktem Absprung vom Drei-Meter-Brett mehrere Zehennägel ab, Hausding sprang trotzdem weiter.

Bei der EM im Mai konnte er dann kaum seinen Arm heben, wurde trotzdem zum neunten Mal in Serie Synchron-Europameister vom Turm. Auch vor Olympia schmerzten Schulter und Knie, Cortisonspritzen ins Gelenk brachten etwas Linderung. Und warum das Ganze? Für Hausding keine Frage: «Verschleiß gehört leider dazu. Aber wir machen den Sport trotzdem gerne, weil er einfach spektakulär und schön anzuschauen und einzigartig ist.»


(dpa)

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