Trotz heftiger Modus-Kritik: EM wird 2020 noch größer

Paris (dpa) – Der EM-Gigantismus wird nach der Aufblähung auf 24 Mannschaften für das Turnier in vier Jahren nochmal verschärft. Dann wird der Fußball-Europameister in 13 Gastgeber-Ländern ermittelt.

Wie das konkret funktionieren soll, will die UEFA erst im Dezember bei einer Sitzung ihres Exekutivkomitees festzurren. Wesentliche Säulen des EM-Konzepts stehen aber schon und dürften den Kritikern der Mammut-EM wenig Freude bereiten.

Wie funktioniert die EM 2020 in 13 Ländern?

Wieder werden 24 Mannschaften an der EM teilnehmen, aller Kritik zum Trotz. Sie spielen in sechs Gruppen und damit auch wieder in dem «krummen Modus» mit vier Gruppendritten, die sich auch für das Achtelfinale qualifizieren. Jede Gruppe hat zwei Spielorte in zwei verschiedenen Ländern, die nach regionalen Kriterien noch von der UEFA zusammengestellt werden müssen. Möglich wären zum Beispiel Brüssel/Amsterdam und München/Budapest.

Teams aus den Gastgeberländern haben mindestens zwei, maximal vier Heimspiele, sofern sie sich für das Turnier qualifizieren. Das Problem: Der sportliche Wettbewerb wird verzerrt, weil vorher klar ist, welche Mannschaften in einer Gruppe sind, zum Beispiel Belgien und Holland oder Deutschland und Ungarn, wenn die UEFA die Spielorte entsprechend zuordnet.

Wo wird überall gespielt?

Die Spielorte der Gruppenphase sind neben der Allianz Arena in München noch Amsterdam, Baku, Bilbao, Brüssel, Budapest, Bukarest, Dublin, Glasgow, Kopenhagen, Rom und St. Petersburg. In jedem dieser Orte findet zudem ein K.o.-Spiel statt – in München zum Beispiel ein Viertelfinale. Im Londoner Wembleystadion finden beide Halbfinals und das Endspiel statt. Der Deutsche Fußball-Bund verzichtete auf die Ausrichtung des Turnierhöhepunkts. Dafür versprachen die Engländer in den Funktionärshinterzimmern die Unterstützung für die deutsche EM-Bewerbung 2024.

Wieso wird überhaupt ohne richtigen Gastgeber gespielt?

Die Idee hatte der mittlerweile über Ethikvergehen gestürzte Ex-UEFA-Chef Michel Platini. 2012 nach der EM in Polen und der Ukraine überraschte er mit diesem Vorschlag, den er als romantischen Plan und als Symbol für das vereinte Fußball-Europa präsentierte. Tatsächlich dürfte Platini aber auch aus der Not gehandelt haben. Es gab damals keinen geeigneten Kandidaten für die auf seine Initiative hin auf 24 Teams und 51 Spiele aufgeblähte Veranstaltung. Die Türkei, für 2016 knapp gescheitert, hatte sich mit der Doppelkandidatur für Olympia und EM in einem Sommer auch übernommen.

Zu welchen Problemen kann es kommen?

Die Hauptkritik lautet: Die EM wird ihrer Seele beraubt. Ohne regionales Zentrum wird keine Turnieridentität entstehen, sprich keine Gute-Laune-Stimmung aufkommen können wie beim deutschen Sommermärchen. Viele Fans können sich ständiges Hopping quer durch Europa einfach nicht leisten. Auch für die Teams ist eine gute Logistik gefragt. Flugdistanzen von mehr als 4000 Kilometern kreuz und quer über den Kontinent werden zur Regel. Das Extrembeispiel: Der Sieger des Viertelfinals in Baku (Aserbaidschan) muss drei Zeitzonen Richtung Halbfinale in London passieren.

Was bedeutet der Turnier-Modus für die deutsche Nationalmannschaft?

Erst einmal muss sich die DFB-Elf wie alle anderen 54 UEFA-Länder in der Qualifikation durchsetzen. Gelingt dies, werden zwei oder sogar alle drei Gruppenspiele in München stattfinden, es wäre also immerhin eine kleine Heim-EM für Deutschland. Das Achtelfinale würde in einem anderen Land stattfinden, das Viertelfinale eventuell wieder in München, aber wohl nur, wenn man die Gruppe als Erster abschließt. Den Titel gibt es nur dort zu holen, wo Deutschland 1996 zum letzten Mal Europameister wurde: im Londoner Wembleystadion.

Wie läuft die Qualifikation?

Die 55 UEFA-Mitglieder werden zunächst auf zehn Gruppen aufgeteilt. Alle Gruppensieger und Gruppenzweite qualifizieren sich, immerhin dabei gibt es keine große Rechnerei mehr. Allerdings beginnt die Quali-Runde erst im Frühjahr 2019, denn vorher wird die neue Nationenliga gespielt, auch eine Idee von Platini. Die Playoffsieger der vier Divisionen dieses Wettbewerbs bekommen auch ein EM-Ticket, quasi im Last-Minute-Verfahren drei Monate vor dem Turnierbeginn. Hier ist der sportliche Wert wieder sehr infrage gestellt, denn ein Team aus dem Topf der 16 schlechtesten Mannschaften (derzeit Litauen bis Gibraltar) hat einen EM-Startplatz sicher.

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(dpa)