Wie die Overwatch League mit Problemen kämpft

Los Angeles – 2020 sollte ein wichtiges Jahr für die Overwatch League werden. In dieser Saison wollte die Franchise-Liga von der Produktion in einem Studio in Los Angeles auf ein neues System mit sogenannten Homestands umstellen – die E-Sport-Liga als Roadshow durch die Städte der Teams.

Doch dann kam Corona. Zwei Offline-Events konnten stattfinden, dann ging die Liga in den Online-Betrieb über. Gleichzeitig bekamen auch die Übertragungen ein neues Zuhause. Youtube hatte sich die Lizenz für Overwatch und andere Titel des Entwicklers Activision Blizzard gesichert, Berichten zufolge für einen dreistelligen Millionenbetrag.

Den Zuschauerzahlen hat der Umzug offenbar nicht gutgetan. Wie «The Esports Observer» unter Berufung auf Zahlen der Marktforschungsagentur Newzoo berichtet, fiel der Höchstwert der Zuschauerzahlen im Vergleich zum Vorjahr um 61 Prozent. Die Statistikseite «Esports Charts» zeichnet ein ähnliches Bild.

Finanziell gehe es der Liga trotz Corona gut – sagt Jon Spector, Vizepräsident der Overwatch League, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings müssten die beteiligten Teams Umsatzausfälle verkraften. «Viel des Geschäfts wären Fans in den Spielstätten gewesen, die Geld für Trikots, Essen und Trinken ausgegeben hätten.» Für die Playoffs sei wieder ein Offlineevent geplant, allerdings ohne Zuschauer.

Gerade aus deutscher Sicht ist die OWL nicht unbedingt der zugänglichste E-Sport. Oft finden die Übertragungen mitten in der Nacht statt. Es sind keine Teams mit Sitz in Deutschland beteiligt. Und mit Steven «Kodak» Rosenberger von Atlanta Reign gibt es nur einen deutschen Spieler. Im diesjährigen Spielplan seien auch Homestands in Europa geplant gewesen, sagt Spector. Außerdem verweist er auf die steigende Zahl der Deutschen in der Entwicklungsliga Overwatch Contenders.

Doch auch hier herrscht Unmut. Dennis «TaKe» Gehlen, Betreiber des deutschen Contenders-Teams Angry Titans, zeigt sich mit der Entwicklung unzufrieden. «Die Nachwuchsszene ist tatsächlich seit längerer Zeit in so einem Bereich, wo man gerne mehr wollen würde, aber auch nicht das Gefühl bekommt, hier wird Nachhaltigkeit aufgebaut», sagt TaKe der dpa. «Wenn es einen größeren Einsatz seitens Blizzards geben würde, dann wäre schon deutlich mehr drin.»

Für die Contenders-Liga könne der Wechsel von der etablierteren E-Sport-Plattform Twitch zu Youtube außerdem auf lange Sicht fatal sein: «Die Zuschauerzahlen werden kleiner, die Teams können nicht so schnell wachsen, sodass daraus indirekt Einnahmen verloren werden, und das schadet natürlich einer Szene», sagt TaKe.

Und auch an anderer Stelle häufen sich die Probleme. Die Vancouver Titans entließen ihr komplettes koreanisches Team in der laufenden Saison. Offiziell aufgrund der Schwierigkeiten, die die Corona-Pandemie mit sich brachte. Einem Bericht von «Dexerto» zufolge gab es allerdings schon zuvor massive Schwierigkeiten zwischen Spielern und Organisation, unter anderem wegen einer unzureichenden Unterbringung und Kommunikationsproblemen.

Ende April verkündete darüber hinaus der wertvollste Spieler der Vorjahressaison, Jay «sinatraa» Won von San Francisco Shock, die Liga zu verlassen. Stattdessen wechselte er zum neuen Taktik-Shooter Valorant vom Blizzard-Konkurrenten Riot Games.

Sinatraa begründete seinen Abgang mit fehlender Motivation, die besonders mit der Einführung der «Hero Pools» begonnen habe. Dabei werden in jeder Woche die am meisten gespielten Helden der Vorwoche gesperrt. «Es gibt diese Tendenz, dass man ziemlich schnell herausfindet, was die besten sechs Helden sind, dann nur diese Zusammenstellung und Strategie geübt wird und man sich festfährt», sagt Spector. Selbst, wenn sich das Balancing ändere, würden Teams die Strategien weiterspielen.

«Wir haben das Hero-Pool-System aufgrund des Feedbacks der Fans eingeführt, die regelmäßig mehr verschiedene Helden sehen wollten, anstatt jedes Spiel dieselben sechs bis acht Helden», sagt Spector.

Doch das gefällt nicht jedem. «Das System ist ein Witz. Es ruiniert die Fähigkeit der Teams, sich zu wiederholen, zu lernen und zu verbessern», schrieb Chris «Dream» Myrick, Assistenztrainer der Houston Outlaws, auf Twitter.

Während des Interviews hält auch Spector noch an den Hero Pools fest – trotz der Kritik gebe es keinen Grund für Änderungen, auch wegen des positiven Feedbacks der Fans.

Mittlerweile hat Blizzard allerdings eingelenkt: Die Hero Pools werden in der Overwatch League deutlich abgeschwächt. Die Heldenauswahl wechselt nur noch alle zwei Wochen, danach gibt es zwei Wochen OWL mit freier Auswahl. Auch die Playoffs der Liga werden ohne Hero Pools stattfinden.

Auf die Frage, ob sich die OWL dem Feedback von sinatraa besondere Aufmerksamkeit schenke, sagte Spector vor Veröffentlichung der Änderungen: «Ich bin gespannt, was sinatraa im Rest seiner Karriere erreichen wird, aber unser Fokus liegt darauf, die Overwatch League zur besten Liga zu machen, die sie sein kann.»


(dpa)

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