«Wurm im Kopf» endlich raus: Przybylko befreit zur WM

Berlin – Motorrad-Freak Mateusz Przybylko gibt am liebsten Gas – und wie auf seiner schnittigen 200-PS-Maschine will er nun auch seinen Job als Hochsprung-Profi wieder machen.

«Den Kopf frei haben, an nichts denken, Spaß haben, alles einfach genießen. Das ist genau das Gefühl, das ich beim Motorrad fahren habe», sagte der Europameister nach seinem Sieg beim Berliner ISTAF.

2,30 Meter – die Einstellung seiner Saisonbestleistung vor gut 40.000 Zuschauern im Olympiastadion, wo er vor einem Jahr EM-Gold erkämpfte, war wohl der Schlusspunkt einer Geschichte, die für den 27-Jährigen auch böse hätten enden können. «Da war so ein Wurm im Kopf. Ich hatte über Monate Probleme, überhaupt die 2,20 zu springen, erzählt Przybylko, der bei Hans-Jörg Thomaskamp in Leverkusen trainiert. «Ich war kurz davor, die Saison abzubrechen.»

Doch «Matze», wie ihn Freunde und Sportkollegen rufen, hat die Kurve gekriegt. Knapp vier Wochen vor der Leichtathletik-WM in Katars Hauptstadt Doha ist «der Knoten geplatzt. Es hat geklappt. Da bin ich heilfroh», sagte Przybylko. «Wenn ich wieder nur eine 2,20 gesprungen hätte, dann wäre ich mit einem schlechten Gefühl nach Doha gefahren.»

Ein gutes Gefühl hatte der Europameister in der WM-Saison eigentlich nur einmal: am 2. Juni, als er in Garbsen 2,30 Meter meisterte. «Danach lief die Saison beschissen. Ich hatte keinen Bock», erklärte der deutsche Meister, der 2,35-Meter-Springer quälte sich über Höhen so zwischen 2,18 und 2,22 . Er wollte die Flinte schon ins Korn werfen, doch sein Trainer habe ihm gesagt: «Mach‘ weiter! Das ist für dich ein Lernjahr.»

Dass es nun doch ein WM-Jahr für den Bruder von Fußballprofi Kacper Przybylko (jetzt in den USA aktiv) wird, das hat er auch Thomaskamp zu verdanken. Schon seit elf Jahren trainiert er Przybylko, der polnische Eltern hat und in Bielefeld geboren wurde. «Mateusz ist halt auch nur ein Mensch, ein sehr emotionaler Typ», schildert der Trainer und erinnert an die schwierigen Wochen: «Die Motivation fehlte, der Zugriff war nicht da, Kopf und Körper waren nicht zusammen.»

Der «entscheidende Wendepunkt» war für Thomaskamp nicht das ISTAF, sondern die Team-EM Mitte August im polnischen Bydgoszcz. «Da stand es wirklich Spitz auf Knopf. Ich habe ihm gesagt: ‚Matze‘, von deinem Ergebnis hängt das Abschneiden der ganzen Mannschaft ab!» Przybylko sprang 2,22 Meter, holte als Vierter wichtige Punkte für das DLV-Team.

«Im Winter stand es auf der Kippe, ob wir Mateusz überhaupt noch mal ins Springen kriegen», erzählt Thomaskamp über seinen Schützling, der seit März mit einem Mentaltrainer zusammenarbeitet. «Mir war aber klar: Wenn er das übersteht und da rauskommt, dann geht er gestärkt aus der Situation hervor.» Auch Przybylko wittert vor der WM Höhenluft: «Wenn ich mich gut anstelle und den Kopf ausschalte im Wettkampf, könnte vielleicht sogar eine Medaille herausspringen.»


(dpa)

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