Was bringt das Meta-Siegel für faire Textilien?

Berlin – Der «Grüne Knopf» soll in Zukunft Kleidungsstücke markieren, die unter Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards hergestellt wurden.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der das Projekt aus der Taufe gehoben hat, will das neue staatliche Textilsiegel nun an die ersten Bekleidungshersteller vergeben, die das Label dann an ihre Produkte nähen können.

Warum soll es ein solches Siegel überhaupt geben?

Im April 2013 war in Bangladesch das achtgeschossige Fabrikgebäude Rana Plaza eingestürzt, in dem viele internationale Konzerne ihre Textilien nähen ließen. 1135 Menschen kamen damals ums Leben. Dieses Unglück hat den Blick dafür geschärft, dass in der Textilwirtschaft weltweit bis zu 150 Millionen Menschen unter oftmals erbärmlichen Bedingungen arbeiten.

Wer bekommt den «Grünen Knopf»?

Die Produzenten von Kleidungsstücken – aber auch von Matratzen, Bettwäsche oder Rucksäcken – verpflichten sich zur Einhaltung von 26 Sozial- und Umweltstandards. So müssen bei der Herstellung der Produkte Mindestlöhne gezahlt werden und ausreichende Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet sein. Kinderarbeit und Zwangsarbeit sind ebenso ausgeschlossen wie der Einsatz gefährlicher Chemikalien. Außerdem muss ein Unternehmen als Ganzes seine Sorgfaltspflichten anhand von 20 Kriterien nachweisen. In der Startphase werden allerdings nur die Produktionsschritte Nähen und Zuschneiden sowie Färben und Bleichen in den Blick genommen. Das Spinnen und Weben sowie die Produktion von Rohstoffen wie Baumwolle sollen erst zwei Jahre später hinzu kommen.

Gibt es nicht bereits zahlreiche ähnliche Siegel und Labels?

Als Reaktion auf das Rana-Plaza-Unglück war 2014 in Deutschland das Textilbündnis gegründet worden, in dem sich Modefirmen wie Esprit und Handelsketten wie H&M zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und mehr Umweltschutz bekennen. Dem Bündnis haben sich allerdings nur 50 Prozent der Branche angeschlossen. Darüber hinaus gibt es bereits heute zahlreiche Siegel wie «Fairtrade» oder das EU-«Ecolabel», die jedoch nur einzelne soziale oder ökologische Aspekte abdecken. Müller spricht beim
«Grünen Knopf» deshalb von einem übergreifenden «Meta-Siegel».

Wie steht die Textilbranche zum «Grünen Knopf»?

Der offizielle Branchenverband textil+mode lehnt das Label ab. Zum einen produziere die deutsche Modeindustrie bereits nach höchsten Umwelt- und Sozialstandards. Zum anderen sei ein nationales Siegel in einer globalen Industrie in sich widersprüchlich – zumal es schon jetzt diverse anerkannte Qualitätssiegel gebe. Trotzdem hatten sich nach Ministeriumsangaben bis Ende August bereits mehr als 50 Firmen der Vorprüfung für den «Grünen Knopf» unterzogen – vom Ein-Frau-Betrieb bis zum multinationalen Unternehmen.

Und wie sehen Entwicklungsorganisationen das Vorhaben?

Grundsätzlich wohlwollend, auch wenn ihnen Müllers Pläne noch nicht weit genug gehen. Thilo Hoppe von «Brot für die Welt» etwa würde gesetzliche Regelungen vorziehen, räumt allerdings ein, dass dies in der Bundesregierung sehr umstritten ist. Als staatliches Meta-Siegel hat der «Grüne Knopf» seiner Einschätzung nach eine «neue Qualität» und könnte deshalb besonders im Beschaffungswesen von Bund, Ländern und Gemeinden eine wichtige Rolle spielen. Kritisch sieht er allerdings, dass einige Stufen der Lieferkette – wie Anbau und Ernte der Baumwolle – vorerst außen vor bleiben. Die Kriterien müssten weiterentwickelt werden, «bis sie alle Stufen der Lieferkette umfassen und auch existenzsichernde Löhne beinhalten».


(dpa)

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