Bayerns bittere Enttäuschung in Rostow

Rostow am Don – Im bitterkalten Rostow am Don hat der FC Bayern den bisherigen Tiefpunkt unter Trainer Carlo Ancelotti erlebt.

Nach einer überraschenden 2:3 (1:1)-Bauchlandung in der Champions League beim bisherigen Tabellenletzten FK Rostow hat der deutsche Fußball-Branchenprimus schon vor dem letzten Spieltag keine Chance mehr auf den Gruppensieg. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge prangerte eine «schlechte» Defensivleistung an und kritisierte Jerome Boateng harsch, dem spielentscheidende Fehler unterlaufen waren und der obendrein nun auch noch länger verletzt auszufallen droht.

«Es wäre im Sinne von ihm und des ganzen Clubs, wenn er ein bisschen mal wieder back to earth runterkommt», sagte Rummenigge über den schwachen Nationalverteidiger, der zudem mit einer Muskelverletzung im Oberschenkel ausgewechselt werden musste. Eine genaue Untersuchung soll am Donnerstag Klarheit bringen. Fest steht schon jetzt, dass die Bayern sich mit Platz zwei in der Vorrundengruppe D zufrieden geben müssen. Die Bayern waren schon wieder in der Luft, als Atlético Madrid am Abend mit einem 2:0 über die PSV Eindhoven Rang eins klarmachte. «Kann sein, dass du dann einen größeren Kracher kriegst, aber das werden wir jetzt so akzeptieren müssen», sagte Rummenigge.

Erstmals in der kurzen Amtszeit von Ancelotti kassierten die Bayern drei Gegentore in einem Pflichtspiel. Sardar Azmoun (44. Minute), Dimitri Polos (49./Foulelfmeter) und Christian Noboa (67.) sorgten für den völlig unerwarteten Erfolg der Russen, die die schwierigen Bedingungen bei minus sechs Grad weitaus besser annahmen und obendrein die groben Abwehrschnitzer der Bayern um den indisponierten Weltmeister Boateng gnadenlos bestraften. Für die Münchner, die das Hinspiel im September noch mit 5:0 gewonnen hatten, trafen diesmal einzig Douglas Costa (35.) und Juan Bernat (52.). «Als Trainer muss ich die Verantwortung übernehmen und die Mannschaft so schnell wie möglich wieder in die Spur bringen», räumte Ancelotti ein.

Schon eine Dreiviertelstunde nach Abpfiff waren die Bayern wieder aus der Arena verschwunden, die Stimmung war unterkühlt. «Als FC Bayern muss man auch hier gewinnen, egal wie die Temperaturen sind oder wie der Platz ist», befand Kapitän Philipp Lahm und erkannte: «Wir sind aktuell ein bisschen sorglos, wir machen zu viele Fehler.» Boateng selbst beklagte, das Team sei «auseinandergebrochen».

Von Anfang an hatten die bereits fürs Achtelfinale qualifizierten Bayern Mühe bei Eiseskälte im betagten Olimp-2-Stadion. Gegen die emsig verteidigenden Russen, die gleich auf eine Fünferabwehrkette setzten, kamen Ancelottis Profis nur selten zu gefährlichen Abschlüssen. Den Bayern fehlte vorne die Präzision – was einerseits an Schlampigkeiten im Spielaufbau lag, andererseits aber auch an den äußeren Umständen. Der holprige Rasen machte es den spielstarken Münchnern schwer, ihr Kombinationsspiel wie gewohnt durchzuziehen.

Rostow begnügte sich vor 15 211 Zuschauern mit wenigen Offensivbemühungen – wenn, dann wurde es aber prompt richtig gefährlich. Schon nach neun Minuten waren die Bayern dem Rückstand nahe. Nach einem weiten Ball von Cesar Navas verschätzte sich Holger Badstuber in seinem ersten Champions-League-Spiel seit einem Jahr gehörig, obendrein begab sich Sven Ulreich als Vertreter von Nationalkeeper Manuel Neuer etwas übermotiviert aus seinem Tor. Aleksander Erochin war Nutznießer, köpfte aufs leere Tor. Doch der flinke Juan Bernat rettete noch gerade so vor der Linie.

Die Großchance wirkte als Wachrüttler für die Spieler von Ancelotti. Mit einem energischen Solo über die linke Seite brachte Renato Sanches in seinem bisher auffälligsten Bayern-Spiel den Ball in den Strafraum. Nach einer unzureichenden Abwehraktion kam Costa in Schussposition und donnerte den Ball aus dem Rückraum ins Tor.

Doch dem 1:0 folgte nicht wie so oft die totale Spielkontrolle des FCB – stattdessen brachten die Gäste ihren Konkurrenten durch einen groben Schnitzer wieder zurück ins Spiel. Unmittelbar vor der Pause leitete Costa mit einem verheerenden Fehlpass in der eigenen Hälfte das 1:1 ein. Polos sprintete dazwischen und bediente Azmoun, der den schwerfällig agierenden Boateng narrte und einnetzte.

Danach wurde es rasant. Zwei Minuten nach Wiederanpfiff verpasste Lahm in seinem 109. Champions-League-Spiel das erste Tor, nach Flanke von Franck Ribéry fand sein Kopfball nicht den Weg ins Tor. Die Bayern trafen nicht, die Gastgeber dagegen schon – und zwar wiederum zwei Minuten später per Elfmeter: In einem seiner schwächsten Partien für die Bayern traf Boateng Noboa im Strafraum am Schienbein. Polos nutzte aus elf Metern die Gelegenheit zum 2:1.

Die Antwort der Bayern folgte prompt. Über Renato Sanches und Ribéry landete der Ball nur drei Minuten nach dem zwischenzeitlichen Rückstand beim durchgestarteten Juan Bernat, der ihn kompromisslos aus kurzer Distanz ins Tor jagte. Und Rostow? Legte seinerseits sofort nach, diesmal per direktem Freistoß. Sehenswert zirkelte Noboa den Ball über die bayerische Mauer zum 3:2 ins Tor.


(dpa)

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