Doppel mit der Nummer eins: China verneigt sich vor Boll

Düsseldorf – Timo Boll und der Chinese Ma Long im Tischtennis – das kann man sich entfernt etwa so vorstellen wie Lionel Messi und Philipp Lahm im Fußball. In einem Team. Bei einer WM.

Da so etwas im Fußball natürlich nicht möglich ist, beim Tischtennis aber schon, beginnen die Weltmeisterschaften in Düsseldorf erst an diesem Dienstag (20.15 Uhr) aus deutscher Sicht so richtig. Dann spielen der ehemalige Weltranglisten-Erste Timo Boll und der aktuelle Weltranglisten-Erste Ma Long zusammen im Doppel. Ihre Gegner in der ersten Runde sind die beiden Ungarn Tamas Lakatos und Krisztian Nagy.

«Auf dem Papier sind meine Chancen bei dieser WM im Doppel größer als im Einzel», sagt Boll. «Wenn man mit der Nummer eins zusammenspielt, zählt man automatisch zum Favoritenkreis.»

Der mit Abstand bekannteste und erfolgreichste deutsche Spieler der 2000er-Jahre ist mittlerweile 36 Jahre alt. Von Philipp Lahm unterscheidet ihn allein der Umstand, dass der Fußball-Weltmeister seine Karriere gerade beendet hat, der Tischtennis- Rekordeuropameister daran aber noch lange nicht denkt. «Noch bin ich einigermaßen gut in Schuss», sagt Boll, was angesichts seines Sieges bei den Korean Open (im April) und seiner Rückkehr in die Top Ten der Weltrangliste (im Mai) eine ziemliche Untertreibung ist.

Mit dem besten aller Chinesen im Doppel zu spielen, ist für ihn eine Auszeichnung. Es ist, wenn man so will, die Verneigung des Tischtennis-Riesenreichs vor seinem über Jahre hinweg härtesten Rivalen. «Ma Long ist einer der größten Sportler überhaupt in China. Ihm könnte das Doppel mit mir auch scheißegal sein», sagt Boll. «Aber er hat in China intensiv Doppel trainiert, er macht sich da einen Kopf drum. Das ehrt ihn – und auch mich.»

Um das zu verstehen, muss man wissen, welchen Stellenwert Timo Boll im Land der Tischtennis-Weltmacht China besitzt. Er ist dort für die Fans ein Mega-Star und für Funktionäre wie Gegner eine hoch geachtete Respektsperson. Als dieser junge Deutsche und keiner der Chinesen 2002 und 2003 an der Spitze der Weltrangliste stand, «hing mein Foto in China teilweise in Übergröße in den Trainingshallen, damit die Spieler wussten: Seht ihn euch an, das ist euer Gegner», erzählte Boll vor dieser WM in einem Interview des Magazins «No Sports».

Seine ganze Karriere über hat er sich an gleich mehreren Generationen chinesischer Topspieler abgearbeitet und umgekehrt. Den Olympiasieger von Sydney (Kong Linghui) schlug Boll, als er 2002 zum ersten Mal den World Cup gewann. Den Olympiasieger von Peking (Ma Lin) verdrängte er 2003 von der Spitze der Weltrangliste. Mit dem Weltmeister von 2001, 2005 und 2007 (Wang Liqin) lieferte er sich ein episches Duell, als Deutschland 2006 in Bremen das Halbfinale der Mannschafts-WM verlor. Am Olympiasieger von London (Zhang Jike) scheiterte Boll, als er 2011 seine bislang einzige WM-Medaille im Einzel gewann (Bronze).

Jetzt kommt also Ma Long und will nicht nur gegen ihn, sondern auch mit ihm spielen. Und der aktuelle Weltmeister und Olympiasieger ist nach Einschätzung aller Experten inklusive Boll noch besser, schneller und kompletter als all die anderen Chinesen vor ihm. «Er ist relativ locker und sehr talentiert», sagt Boll. «Das hat er mit einer sehr starken Athletik, großen Schlaghärte und großen Spielintelligenz kombiniert. Er ist ein sehr cleverer Spieler.»

Ma Long trainierte am Sonntag zum ersten Mal in der Düsseldorfer WM-Halle. «Ich habe keinen Jetlag, ich fühle mich gut», sagte der 28-Jährigen danach. Für eine gemeinsame Vorbereitung mit Boll bleibt allerdings nicht viel Zeit. Beide haben bereits bei der WM 2015 zusammengespielt, das ist ihr Vorteil. Beide könnten aber schon am Donnerstag in der dritten Runde auf die Top-Favoriten Fan Zhedong und Xu Xin aus China treffen – das ist womöglich ihr Problem. Trotzdem ist Boll zuversichtlich. «Er ist Rechtshänder, ich bin Linkshänder: Das ist ein Vorteil, da steht man sich nicht im Weg herum.»


(dpa)

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