Kein Chef, viele Fragen – UEFA-Baustellen bis 2024

Paris (dpa) – Die Fußball-EM war für die UEFA nur eine Atempause. Nach den Wirrungen und den Skandalen um den zurückgetretenen Präsidenten Michel Platini musste sich der Kontinentalverband um den reibungslosen Ablauf seines Premiumprodukts kümmern.

Das gelang angesichts der Terrorbedrohung in Frankreich und dem neuen EM-Mammut-Format sehr ordentlich. Doch nun warten die wirklichen Probleme. In zwei Monaten muss einer neuer Präsident gewählt werden. Es droht ein Grabenkampf zwischen großen und kleinen Verbänden, der auch die deutsche Bewerbung für die EM 2024 kompliziert macht.

Die UEFA-Baustellen:

DIE FÜHRUNGSFRAGE: Michel Platini will sich beim Kongress am 14. September in Athen von seinen Funktionärskollegen noch verabschieden. Dann wird die Ära des Franzosen beendet sein. Als Nachfolger bewerben sich der niederländische UEFA-Vize Michael van Praag und überraschend der slowenische Verbandschef Aleksander Ceferin. Van Praag ist ein Funktionärs-Dinosaurier und bestens vernetzt. Er will nur bis 2019 den Verband führen und wieder auf Kurs bringen.

Der Deutsche Fußball-Bund sagte ihm sofort seine Unterstützung zu – und hat diese durch seinen Präsidenten Reinhard Grindel schnell wieder relativiert. Denn Ceferins Kandidatur ist nicht zu unterschätzen. Kleinere Verbände aus Nord- und Osteuropa pushen den im Funktionärszirkel noch nicht so prominenten 48-Jährigen.

Es drängt sich die Frage auf, ob Ceferin ein vorgeschobener Kandidat ist – gerade wegen der Unterstützung aus Moskau. Van Praag stünde für einen Erneuerungskurs, den längst nicht alle kleinen Verbände wollen. Alle 55 Mitglieder haben bei der Wahl eine Stimme, da will auch der DFB mit seinen EM-Ambitionen für 2024 ungern auf der Seite des Verlierers stehen. Grindel warb deshalb zuletzt dafür, dass nur ein Kandidat zur Wahl stehen solle.

DIE EM 2024: Deutschland wird EM-Gastgeber 2024. Das stand vor der Enthüllung der diversen Funktionärsskandale praktisch fest. Doch nun ist das längst nicht mehr sicher. Der DFB hat durch seine WM-Affäre an Reputation eingebüßt. Und plötzlich taucht mit der gemeinsamen Bewerbung von Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark ein Quartett als Konkurrent auf. DFB-Chef Reinhard Grindel nennt die eigene Kandidatur sein «Leuchtturmprojekt» und muss dafür Klinken putzen.

Das Problem: Trotz aller logistischen Argumente für Deutschland könnte das übernächste EM-Turnier zum Politikum werden (-> Die Führungsfrage). Gewinnt der Slowene Aleksander Ceferin die Präsidentschaftswahl, könnte er den Skandinaviern, die ihn unterstützen, näher stehen, als dem großen DFB.

Zwar wählt nicht der UEFA-Chef den EM-Gastgeber aus, sondern die Exekutive, aber die Grundstimmung könnte sich mit einem den kleinen Ländern verpflichteten Chef ändern. Diese Erfahrung musste auch Italien machen, als nach der Wahl von Platini zum UEFA-Präsidenten Polen und die Ukraine überraschend den Zuschlag für die EM 2012 bekam. Der Franzose hatte es auch durch die Unterstützung kleiner Verbände aus Osteuropa ins Amt geschafft.

DIE EM 2020: Vor der EM 2024 kommt noch die EM 2020 – und die ist schon wieder mächtig kompliziert. Platini nannte seinen Plan mit 13 Gastgeberländern eine «romantische Idee». Tatsächlich wird das nächste Kontinentalturnier zu einem logistischen Mammut-Projekt – mit vielen Nachteilen für die Fans.

Zwischen den Spielorten in drei verschiedenen Zeitzonen von Dublin bis Baku liegen mehrere tausende Kilometer. Die EM wird zu einem Fußball-Flickenteppich. Den genauen Modus wird die UEFA erst im Dezember festlegen, wenn sich die Exekutive ganz nebenbei auch noch mit einem möglichen neuen Modus für die Champions League befassen wird.

Undurchsichtig ist auch der nächste EM-Qualifikationsmodus. So wird sich definitiv ein Team aus dem schlechtesten Topf der neuen Nationenliga qualifizieren. Das komplette Teilnehmerfeld steht erst gut zwei Monate vor Turnierbeginn fest. Deutschland kann mindestens zwei Spiele in München austragen, wenn man sich qualifiziert, das immerhin ist eine erfreuliche Perspektive.

DIE NATIONENLIGA: Noch so eine fixe Idee von Michel Platini. Und Bundestrainer Joachim Löw wird angesichts der ohnehin schon hohen Belastung der Nationalspieler den Kopf schütteln. Von Herbst 2018 an spielen alle 55 UEFA-Länder in der sogenannten Nationenliga – ein neuer Wettbewerb, in dem innerhalb einer Spielzeit ein Champion gekürt wird. Der Modus ist kompliziert. Gespielt wird in vier Divisionen mit je vier Gruppen. Auf- und Abstieg sind über die Spielzeiten hinweg möglich. Und: Ein Team aus jeder Division bekommt auch ein EM-Ticket. Ob die Fans diesen Wettbewerb mögen, wird sich erst beweisen müssen.

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(dpa)