Trotz Titelkurs: BVB bleibt Meister im Understatement

Mainz – Lucien Favre wollte nach dem besten Saisonstart der Vereinsgeschichte gerade zur Lobrede auf Top-Joker Paco Alcácer ansetzen, als er von einem schrillen Alarmton unterbrochen wurde.

Verdutzt lauschte der Trainer des Bundesliga-Spitzenreiters Borussia Dortmund der Lautsprecherdurchsage, die zum sofortigen Verlassen des Stadions aufforderte. Doch schnell stellte sich heraus, dass keine Gefahr in Verzug war – genauso wie derzeit in der Liga für den BVB.

Und so durfte Favre nach dem 2:1 (0:0)-Arbeitssieg beim FSV Mainz 05 doch noch ausführlich über die komfortable Situation der nach zwölf Spielen weiter ungeschlagenen Dortmunder reden. «Natürlich schauen wir auf die Tabelle, aber das bedeutet gar nichts», sagte der Schweizer.

Wirklich? Neun Siege, drei Remis, torhungrigster Angriff, zweitbeste Abwehr und vor allem schon neun Punkte Vorsprung auf den wankenden Branchenprimus Bayern München: Der BVB befindet sich auf Titelkurs. Doch die Verantwortlichen üben sich weiter konsequent in Understatement. «Natürlich haben wir neun Punkte Vorsprung auf die Bayern, aber dazwischen liegen noch andere Teams. Du wirst ja nicht automatisch deutscher Meister, nur weil du vor Bayern München stehst», stellte Sportdirektor Michael Zorc fest.

Meisterträume hegen derzeit nur die Fans. «Diese ganze Rechnerei ist nicht unser Thema, das ist alles viel zu früh», sagte Zorc. «Ich empfehle einen Blick auf den Kalender. Da steht November, nicht Mai. Es ist noch ein langer, langer Weg.»

Wohl wahr, doch wer soll die Dortmunder stoppen? Zumal sie in schöner Regelmäßigkeit auch die Spiele gewinnen, in denen sie nicht glänzen. So wie am Samstag durch ein Traumtor von Lukasz Piszczek (76. Minute). Als der Pole 2011 letztmals zum Sieg in Mainz traf, wurde der BVB am Saisonende Meister. «Ich hoffe, das ist ein gutes Omen», sagte Piszczek. Das war aber auch schon die forscheste Ansage zum Thema Meisterschaft.

Zuvor hatte der Mainzer Robin Quaison (70.) die Führung durch Joker Alcácer (66.) egalisiert. «Das ist unfassbar. Er ist 150 Sekunden im Spiel und macht das Tor», sagte Zorc über den 24 Stunden vor dem Spiel für 21 Millionen Euro vom FC Barcelona verpflichteten Spanier. Für den war es bereits das achte Joker-Tor in dieser Saison. «Er hat einen angeborenen Instinkt, spürt den Ball», lobte Favre den 25-Jährigen.

Und Zorc lobte Alcácer weiter. «Dass er in dieser Häufigkeit trifft und sich so schnell bei uns einlebt, konnte man nur erhoffen, nicht erwarten. Er passt hundert Prozent zu uns, bringt eine außerordentliche Abschlussqualität mit», sagte Dortmunds Sportdirektor über den 1,75 Meter großen Torjäger.

Der könnte im Titelrennen zum größten Trumpf werden. «Wir haben ihn frühzeitig fest verpflichtet, weil es noch einmal ein Unterschied ist, ob du ein richtiger Bestandteil von Borussia Dortmund bist und dich zu hundert Prozent identifizierst mit dem Verein, oder ob du ein Leihspieler bist», sagte Zorc. «Wir glauben, dass er noch viel für uns leisten kann.»

Denn auch wenn die Bayern dem BVB als größter Rivale im Kampf um die Meisterschale vorerst abhandengekommen sind, rechnet Favre nicht mit einem Durchmarsch. «Es gibt noch andere Mannschaften, die sehr stark sind: Mönchengladbach, Leipzig, Frankfurt, Hoffenheim», zählte er auf.

Daher denke man weiter nur von Spiel zu Spiel. Das nächste ist am Mittwoch in der Champions League gegen den FC Brügge. Zorc gab dafür die Marschroute aus: «An unserer Herangehensweise darf sich nichts ändern, zumal sie bisher erfolgreich war: So weitermachen, den Ball schön flach halten – und Brügge schlagen.»


(dpa)

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