«Einzigartige Katastrophe» von Tirana bis heute unvergessen

Tirana (dpa) – Über Hollands Fußballstars ergoss sich nach der verpassten EM-Qualifikation für 2016 massenhaft Häme. Günter Netzer und Wolfgang Overath kennen das aus früheren Zeiten nur zu gut.

Vor 49 Jahren verpasste das deutsche Nationalteam mit den beiden Edeltechnikern sensationell die Endrundenteilnahme in Italien, was in der Heimat für Fassungslosigkeit sorgte. Beim Fußball-Zwerg Albanien kamen Netzer & Co. im letzten Qualifikationsspiel nicht über ein beschämendes 0:0 hinaus – das war zu wenig. Bis heute ist die «Schmach von Tirana» bei vielen unvergessen. Der 17. Dezember 1967 sei «in die Memoiren des deutschen Fußballs eingegangen», urteilte der frühere DFB-Spieler Bernd Patzke in einem «11Freunde»-Interview.

Auch deshalb, weil die folgenschwere Peinlichkeit in Albaniens Hauptstadt ein Novum bedeutete: Es war das erste und bisher einzige Mal, dass ein deutsches Nationalteam die Qualifikation für eine EM sportlich verpasste. Ein knapper Sieg gegen Albanien hätte schon gereicht. So aber wurde der damalige Bundestrainer Helmut Schön nach dem denkwürdigen K.o. vom Boulevard verspottet, er selbst sprach vom «schwärzesten Tag» im Amt. Borussia Mönchengladbachs Mittelfeldlenker Netzer räumte Jahrzehnte nach dieser «einzigartigen Katastrophe» noch immer entgeistert im «Tagesspiegel» ein: «Wir wussten, dass uns dieser Tag ein Leben lang verfolgen würde. Und das völlig zu Recht!»

Aus der deutschen Qualifikations-Dreiergruppe schaffte nur Jugoslawien den Sprung zur Endrunde 1968 nach Italien, an der seinerzeit lediglich vier Nationen teilnahmen. Als WM-Zweiter von 1966 hatte Schöns Team den EM-Start fest eingeplant – umso enttäuschter fielen die Reaktionen aus. «Es war ein grausames Spiel und ein noch grausameres Resultat», befand Berti Vogts, der gegen die Albaner als Nachwuchsverteidiger auf der Reservebank saß. Der daheimgebliebene Uwe Seeler konstatierte: «Ich war entsetzt.» Netzer urteilte schlicht: «Tirana war damals der absolute Tiefpunkt.»

Während die gedemütigten deutschen Nationalspieler tags darauf dennoch wie geplant zu einer Audienz beim Papst in Rom eintrafen, forderte die «Bild» in der Heimat mit großen Lettern die Ablösung von Schön: «Laßt doch mal den Merkel ran!» Schön blieb im Amt, für den Münchner «Löwen» Hennes Küppers und den Gladbacher Peter Meyer aber blieben die Auftritte in Albanien die letzten im Nationaltrikot.

Dass die Rahmenbedingungen der deutschen Dienstreise nach Tirana alles andere als beispielhaft waren, spielte im Nachgang nur noch eine Nebenrolle. Die Partie wurde auf betonhartem Boden ausgetragen, was der technisch versierten deutschen Mannschaft das Spiel erschwerte. «Das Wort Fußballplatz möchte ich gar nicht benutzen. Das trifft es einfach nicht. In Tirana gab es nur ein einziges Hotel, wir hatten kaum etwas zu essen», berichtete Netzer Jahre später.

Trotz immenser Kritik an seiner Person behielt Schön seinen Job. Es war eine weise Entscheidung des Deutschen Fußball-Bundes, wie sich später herausstellte: 1972 führte der Bundestrainer die Nationalmannschaft bei der EM in Belgien zum Titel, zwei Jahre später wurde Deutschland unter Schön Fußball-Weltmeister.

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(dpa)