Beobachtungen zum Nations-League-Start

Berlin – Viel wurde geschimpft, immer wieder der neue Modus erklärt: Schon vor dem Start in die europäische Nations League wurde kontrovers über Sinn und Nutzen des neuen Wettbewerbs diskutiert. Seit Donnerstag rollt der Ball. Beobachtungen zum Auftakt der Nations League:

VOLLE KAPELLE BEIM WELTMEISTER: Sein erstes Spiel als Weltmeister ging Joachim Löw vor vier Jahren etwas anders an als Didier Deschamps. Während der Franzose alle Feldspieler aus Russland wieder berief und beim Nations-League-Auftakt 2018 quasi die gleiche Aufstellung aufbot wie im WM-Finale eineinhalb Monate zuvor, experimentierte Löw damals. Kevin Großkreutz, Erik Durm, Julian Draxler rein – Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels raus.

Der Grund ist offensichtlich: Während Löw ohne Wettkampfdruck probieren konnte und ihn selbst der zwischenzeitliche 0:4-Rückstand beim Spiel gegen Argentinien (2:4) nicht groß besorgte, fand sich Deschamps im neugeschaffenen Bewerb gleich im Kampf um Titel und gegen den Abstieg wieder. «Wir wissen, dass es sofort ums Ganze geht», verdeutlichte Real Madrids Verteidiger Raphaël Varane, der die Franzosen als Kapitän aufs Feld führte.

WETTBEWERBSCHARAKTER: Der 2014er Weltmeister gegen den 2018er Champion, England gegen Spanien, Polen gegen Italien. Die Nations League bietet erstklassige Duelle – und die Fußball-Großmächte treten anders als sonst bei Testspielen in Bestbesetzung auf. «Wir wollen uns nur mit den Größten messen», sagte Englands Gareth Southgate vor dem Beginn des neuen Wettbewerbs. Ein Abstieg in Liga B wäre nicht nur sportlich ein großer Rückschlag zwischen WM 2018 und EM 2020, sondern auch ein herber Prestigeverlust. «Wir nehmen die Nations League sehr ernst», meinte auch Bundestrainer Löw.

NEBENBÜHNEN: Der in vier Klassen geteilte Wettbewerb fördert zwar Duelle zwischen gleich und ähnlich starken Nationen, doch der Fokus richtet sich wie gewohnt ganz auf die absoluten Top-Teams. Die Elite-Staffel A ist unter anderem mit Weltmeister Frankreich, Europameister Portugal, Deutschland, Italien und England gespickt mit hochdekorierten Stars. Liga B? Nordirland gegen Bosnien. Liga C? Albanien gegen Israel. Liga D? Lettland gegen Andorra. Immerhin: Beim Streaming-Dienst DAZN sind auch diese Partien live und in voller Länge zu sehen. Und: Der Modus des Wettbewerbs stellt sicher, dass sich am Ende auch kleine Fußball-Nationen vom Format Litauens oder Norwegens aus Liga C oder Aserbaidschans und Maltas aus Liga D über die Nations League für die EM qualifizieren können.

RONALDOS REGELN: Dass ein internationaler Superstar aus freien Stücken für EM oder WM absagt? Eigentlich undenkbar. Doch diesen Stellenwert scheint die Nations League im Gründungsjahr noch nicht zu haben. Der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo wird beim Auftakt seiner Portugiesen am Montag gegen Italien fehlen, weil er sich auf seinen neuen Club Juventus Turin konzentrieren möchte.

«Portugal ist ein Nationalteam mit Cristiano Ronaldo», stellte Trainer Fernando Santos über seinen Kapitän klar. Schon für den 11. Oktober in Polen wird die Rückkehr des 33-Jährigen in Portugals Aufgebot erwartet. «Es gibt kein mit oder ohne Ronaldo. Er ist in sehr guter Verfassung, um noch lange Zeit für uns zu spielen», sagte Santos.

LUXEMBURGS TRAUMSTART: Als Christopher Martins nach herrlicher Kombination zum 4:0-Endstand einschoss, schüttelte Luxemburgs Trainer Luc Holtz ungläubig den Kopf. Der Vier-Tore-Erfolg des Fußball-Zwergs gegen Moldawien war der höchste Heimsieg in der Geschichte Luxemburgs. Für die «Kleinen» ist die Nations League zusätzlicher Ansporn, weil insgesamt vier zusätzliche Plätze für die EM 2020 ausgespielt werden. Darunter auch einer für Liga D, in der Luxemburg am Dienstag mit einem weiteren Sieg in San Marino einen perfekten Start hinlegen könnte.


(dpa)

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